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38 war entweder die Gelegenheitsursache, der zündende Funke,
nicht vorhanden, oder sie wurde durch äussere Verhältnisse und
Einflüsse so verändert, dass sie sich nicht entwickeln konnte,
wie wir dies häufig bei Epilepsie finden. Auch hemmt oft frü-
her Tod die Ausbildung der Krankheit. Vom 1. Jan. 1827 bis
30. Jun. 1834 wurden in die Anstalt Sonnenstein 206 männliche
und 135 weibliche Kranke aufgenommen. Unter den ersten wa-
ren 46, unter den letztern 26 Kranke, deren Eltern oder Gress-
eltern oder Verwandte nachweislich an ausgebildeten Seelenstö-
rungen litten und von denen sie die Anlage zu denselben erbten,
Unter den erwähnten 46 männlichen Kranken erbten 17 die An-
lage vom Vater, 14 von der Mutter, 8 von Grosseltern und Ver-
wandten der Eltern und 19 hatten- zugleich geisteskranke Ge-
schwister, Vetter und Muhmen, Unter den 26 weiblichen Kran-
ken erbten 6 die' Anlage vom Vater, 17 von der Mutter, 17 von
Grosseltern und Verwandten der Kiltern und 8 hatten seelen-
kranke Geschwister und Verwandte. :. Die Erblichkeit der Dispo-
sition zu Seelenstörungen würde noch öfterer gefunden werden,
wenn man nicht so oft Seelenkrankheiten absichtlich verschwieg.
—2) Erbliche Disposition trübt die Prognose, hebt aber die
Heitbarkeit nicht auf.‘ Von den erwähnten 46 männlichen Kranken
genasen 15, von den 26 weiblichen 11. Recidive, die jedoch
wieder beseitigt wurden, kamen bei‘ 2 männlichen und 3 weib-
lichen Individuen vor. — 3) Die Form anlangend, ist die Seelen-
störung oft verschieden bei Eltern und Kindern, häufig aber auch
gleich. Kürzlich’ kam ein Kranker naeh Sonnenstein, der sich
für einen Sohn des Königs hielt. Vor 10. Jahren wurden Mut-
ter und Schwester verrückt, erstere hielt sich für eine Princes-
sin, detztere sich für eine Hofdame. Beide wurden nach einiger
Zeit hergestellt und auch mit dem erwähnten Kranken bessert es
sicht, — 4) Oft bilden sich bei den Kindern die Seelenstörungen
in derselben Zeit aus, wo die Eltern daran litten, bisweilen aber
auch früher, bisweilen auch später. — 3) Verfielen die’ Eltern
vor Zeugung der Kinder in Seelenstörung, so ist die Voraus-
sagung trüber, als wenn dies später geschah. (Fortsetzung folgt.)
[Clarus’s u, Radius’s Beitr, z. prakt. Heilk., Bd. 1, Hft. 8.1
VII. STAATSARZNEIKUNDE.
— 246. Lebensdawer. (Aus den Papieren des Dr.‘ Vorer
gu Leipzig.) Es ist bemerkenswerth, dass schon ARISTOTELES
(Naturgeschichte der Thiere. Buch 1. Cap. 11.) die Zigeumrer-
Prognose angiebt, indem er sagt: „bei Personen, die ein ho-
hes Alter erreichen können, sieht man eine oder zwei Linien
über die ganze Handfläche lanfen; bei solchen, die nicht lange
leben, finden sich zwar 2 solcher Linien, aber nicht über‘ die