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IV. Chirurgie und Ophthalmologie.‘
nommen, mied aber dabei sorgsam jede beträchtlichere Gewalt-
anwendung um dem zur Ausscheidung so wichtigen Naturvorgange
nicht nachtheilig vorzugreifen. Allmählich war so der halbe Un-
terkieferkörper mit dem Alveolarfortsatze ganz entfernt, ohne
dass neue nekrotische Stellen in den andern Theilen des Kiefers
sich zeigten. Nach mehreren Monaten, während welcher die er-
wähnten Mittel nur mit kurzen Unterbrechungen fortgenommen
worden waren, wurde zum Beschluss noch der von selbst abge-
stossene hinterste Theil des Kiefers mit dem zugerundeten, in
seiner ursprünglichen Gestalt nicht veränderten Gelenkkopfe aus-
geschieden. Im gleichen Maasse als einzelne Knochenstücke ver-
loren gingen, erzeugte ‘sich aus den Weichtheilen, ganz wie in
frühern Fällen der Kieferresectionen, knorplige, den Verlust
ersetzende, sich allmählich fest ossificirende Masse, wodurch
auch diese Kranke völlige Beweglichkeit und Brauchbarkeit des
Unterkiefers wieder erhielt. Ob sich künftig im neuen Kiefer
auch die verlorenen Zähne wieder bilden werden, wie v. G. ‘ei-
nige Male, doch bei geringerem Verluste sah, muss die“ Zeit
lehren, [v. Gräfe’s u, v. Walther’s Journ. f. Chir, u. Augenheik;
Bd. 22. Hft. 1.]
234. Glückliche Heilung einer sehr bedeuten-
den Verwundung der Luftröhre und Mittheilung ei-
niger andern Fälle von wiederholten Selbstmords-
versuchen; vom O. A. Arzte Dr. ARnoLDd in Balingen. > Ein
21jähriger kräftiger gesunder Schuhmachergeselle , der wegen
Mangel an Arbeit 2 Monate herumgewandert war, sollte in seine
Heimath gebracht und daselbst unter Aufsicht des Gemeindevor-
standes gestellt werden. Als ihm diess eröffnet wurde, zöf er
aus seiner Kappe ein Rasirmesser hervor und schnitt sich da*
mit in einem Zuge den Hals so weit durch, dass das Blut in
Strömen sich ergoss und er anscheinend todt niederstürzte. : Der
sogleich herbeigerufte Vf. fand den Verwundeten dem Tode nahe,
mit blassem Gesichte, weissen Lippen, kalten Extremitäten, kaum
noch fühlbarem, kleinem und äusserst schnellem Pulse. Das zum
Theil hochrothe Blut floss stromweise an beiden Seiten des Kör-
pers herab und durch die weitklaffende Wunde am Halse, in der
sich die Luftröhre gegen die Brust langsam auf und ab bewegte
wurde der schauerliche Anblick noch vermehrt.‘ Die Wunde ging
in einer Länge von 4} Zoll quer von einer Seite des Halses
bis zur andern, drang in den Raum zwischen Zungenbein und
Kehlkopf durch das Zigam. hyothyreoid. med. und hatte zu bei-
den Seiten die M. platysmam. hyothyr. sternohyoid. und omohyoid.
durchschnitten, so dass die Speiseröhre entblösst nur noch in
leichter Verbindung mit der hintern Wand der Luftröhre stand,
Wenn auch bei dieser fast totalen Durchschneidung der Luftröhre,
nach Stillung der Blutung durch Unterbindung einiger nicht un-
bedeutender Aeste der Art. thyreoid, sup. auf beiden Seiten, der
untere herabgesunkene Theil der Luftröhre nur durch“ Herauf-