Full text: (10. Band = 1835, No. 1-No. 8)

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VI. Staatearzneikunde. 
mager zu seyn; ihr Gesicht von Blatternarben gezeichnet, von 
gesunder, obgleich nicht lebhafter Farbe. In diesem regelmäs- 
sig gebauten, gracilen und scheinbar makellosen Körper wohnte 
ein.reger Geist, ein gereifter Verstand und ein lebhaftes 'Tem- 
perament. — Ich habe in meinem Wirkungskreise seit 20 Jah- 
ren hundert solche Constitutionen kennen gelernt, welche ge- 
sund blieben, alt warden und zum "Theil noch leben. Es wun- 
derte mich deshalb nicht, dass meine Clientin, nach dem ihr 
ausgestellten Gesundheitszeugnisse, in obiger Lebensversicherungs- 
anstalt aufgenommen ‚wurde. — Kaum mochten seitdem zwei 
Jahre verflossen seyn, so ward mir zu Ohren gebracht, dass 
jene Frau, nachdem sie von einem Kinde künstlich entbunden 
worden, an Schwindsucht gestorben sey und dass der Arzt be- 
merkt habe, die Todte habe eine phthisische Architektur, 
was dem Bureau der Lebensversicherungsbank um so mehr auf- 
falle, da in meinem Gutachten von einer phthisischen Anlage 
u. s. w. nichts verzeichnet sey. Ob mir diese Mittheilung auf 
Anregung des Instituts hinterbracht wurde, ist mir unbewusst 
und gleichgültig. Dass es mit der phthisischen Architektur seine 
Richtigkeit habe;, bezweifle ich nicht, da der Arzt, der die Ge- 
bärende entband und sie als Leiche sah, ein wissenschaftlich ge- 
bildeter Mann ist. Aber wo kam die phthisische Architektur 
her? Hätte ich sie übersehen? Kaum denkbar; denn die An- 
stalt für Lebensversicherung besoldet zwei Aerzte, und jeder am 
Ort und Stelle Aufzunehmende wird, nachdem die ärztlichen Zeug- 
nisse geprüft, zuvor von einem derselben inspicirt. Beide sind 
geschickte und vorsichtige Aerzte und es wäre in der That selt- 
sam, wenn vier Augen (meine und die des Bankarztes) an der 
Lebenden das übersehen hätten, was an: der Todten so sichtbar 
gewesen‘ seyn soll! Die Sache bleibt zweifelhaft, wenn sie nicht 
vielleicht durch folgende Thatsache aufgeklärt wird, — Kin 
Mensch :von 38 Jahren hatte längere Zeit in der Baierschen 
Cavalerie gedient, den Befreiungskrieg. mitgemacht und, der 
Strapazen des kriegerischen Lebens satt und überdrüssig, sich 
später zu befreien gewusst. KEr servirte. von jetzt ab in einer 
sehr lebhaften Gastwirthschaft, erst als Hausknecht und später 
als Marqueur. Wie seine kräftige Constitution die Drangsale des 
Kriegs, Entbehrungen bis zum Verschmachten, abwechselnd mit 
Schwelgerei in allerlei Genüssen, wenn der Zufall einen kurz 
dauernden Ueberfluss spendete, gleichgültig ertrng; so hielt sie 
sich auch unter den Anstrengungen: und Schwelgereien, welche 
sein jetziger Stand mit sich führte, aufrecht: unser Excavalerist 
durcharbeitete und durchschwärmte Tage und Nächte, schwelgte, 
je nachdem es-die Umstände mit sich brachten, in reizenden und 
erhitzenden, in kühlenden und erschlaffenden Genüssen, und blieb 
stets wohl, war heiter und munter, der beste und vigilanteste Mar- 
queur in jener Wirthschaft, Von seinem Eintritte in dieselbe‘ bie
	        
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