IV. Chirurgie und Ophthalmologie,
Orts- Wundarzt nichts gethan gegen die völlige Verschliessung
und Verklebung des bedeutend entzündeten und geschwollenen
obern und untern Augenlides und so geschah es, dass, nach Heilung
aller Wunden, das Auge nicht vollkommen geöffnet werden konnte.
Beide Augenlider waren von einem Augenwinkel bis in die Mitte
wirklich verwachsen; der Augapfel war in allen seinen Bewegun-
gen frei, aber die hintere Narbe der Verwachsung wirkte auf ihn
so nachtheilig, dass Pat. mit diesem Auge schlechterdings nicht
nach der Nase hinsehen konnte und das Auge stets entzüudet
war. Der natürlich innere Augenwinkel war noch vorhanden und
zwischen ihm und der Narbe eine kleine Oeffnung, in welche
selbst die. feinste Sondenspitze nicht eindringen konnte. Zugleich
Fand sich am äusseren Augenwinkel eine gerissene Wunde. ‚—
Vrf. überkleidete die beiden Augenlidränder, jedes für sich, .und
liess somit einen verzogenen äusseren Augenwinkel und eine
Umstülpung des untern Augenlides nach aussen (Ectropium) ent-
stehen. Während beide Augenlider gegen. die Nase zu ange-
spannt wurden, ward eine Hohlsonde unter die Narbe bis zum
innern Augenwinkel hineingeführt, hier mit einem Bistouri ein-
gestochen und die Verwachsung getrennt, ohne den normal über-
kleideten innern Augenwinkel zu verletzen. Die Augenlidränder
wurden mit frischem Mandelöle bestrichen, bis sie überhäutet
waren. Die anhaltende Augenentzündung wurde durch Biutegel
and kalte Ueberschläge beseitigt. — Das KEctropium und den
verzogenen, erweiterten äusseren Augenwinkel wollte Vf. durch
Wundmachung beider Augenlidränder und Heftung mittelst um-
schlungener Naht über die Spitzen von feinen abgekneipten In-
sectennadeln und per primum intentionem heilen; allein Pat. fügte
sich diesem Verfahren nicht. [Med. Jahrb. d. k. k. österr. Staates,
Bd 16, St, 2.]
130. Pyorrhoe der Thränensäcke mit innern
Thränenfisteln; aus der Praxis des Prof. Dr. v. Ammon mitge-
theilt von Dr. Zeıs in Dresden. Kin höchst scrophulöses 13jähri-
ges Mädchen hatte schon in den ersten Lebensjahren an Blephar-
ophthalmia glandulosu gelitten, wurde aber davon befreit, als im
4. Jahre sich auf dem rechten M. Deltoideus ein lange in Eiterung
bleibender Abscess gebildet hatte. Der lief eingezogenen Narbe
nach war wohl Knochenleiden dabei. Nach Heilung dieses vicarli+
renden Uebels kehrte das der Augen in viel schlimmerem Grade
zurück und nach und nach wurden immer mehr die Theile in der
Nähe der Augen ergriffen, so dass, als v. A. Anfangs 1833 die Be-
handlung übernahm, der Zustand folgender war: schon mehrere
Schritte weit schreckte Pat. durch entsetzlichen Gestank aus der
Nase, so wie durch widrigen Anblick der weit von einander ste-
henden Augen und des offenstehenden Mundes ab. Die Augenlid-
ränder beider Augen waren theils mit Crusten bedeckt, theils ex-
corlirt und die Cornea beider Augen, oder richtiger die 7wnica
Descemet., derselben stark getrübt. Die Thränensäcke, vorzüglich
239