1. Materia medica und Toxikologie, 219
lis,. schlugen zuletzt fehl. Bei den grossen Schmerzen der Kran-
ken, die sich, weil sie nicht liegen konnte, das Gesäss erbärnt-
lich durchgesessen hatte und auch an brandigem Decubitus meh-
rerer Steilen des Schenkelg litt, war die Veratrinsalbe (S. Sum-
marium, Bd. VIIL, Hft. 3, Nr. 8%) ein neuer Hoffnungsauker,
Das Mittel wurde sofort von BrAnDEs aus Salzuflen verschrieben
und zuerst zu 2 Gr., dann zu 5 Gr. auf eine Unze Fett 3 Mal
täglich 4 Stunde in die Herzgrube gerieben. : Die von Tage zu
Tage sehnlichst erwartete Diuresis blieb aber aus, der Urin blieb
sparsam, hochroth, trübe und die Wassersucht stieg. Gegen 14
Tage wurde 80 unausgesetizt mit der Salbe fortgefahren, wobei
gtwa 1. Scrupel Veratria angewendet seyn mochte, doch ohne
alle Wirkung. Auch das Gefühl von Klingen in der Einreibungs-
stelle, was die Veratria bewirken sollte, wurde nicht wahrge-
nommen. Pat., des fruchtlosen Einreibens überdrüssig, setzte
nun die Salbe aus. Die blasenhaft an den: Schenkeln ansge-
dehnie Haut brach an mehrern Stellen durch und entleerte sich
allmählich des Wassers, doch auch diese Stellen wurden bald
brandig und der Tod endigte nun die jahrelangen ‚Leiden. Das
Mädchen war die 3. Tochter eines ganz gesunden Vaters und
einer kräftigen Mutter, die jedoch schon lange an periodischem
Kopfschmerze litt, der sich auch bei der zweiten Tochter ein-
gestell6 hatte. Bis ins 5. Jahr war Pat. völlig gesund. Nach
kaum überstandenem Friesel von. kaltem Winde wenige Augen-
blicke angeweht, bekam die Kleine Anasarca, die sich zwar ver-
lor, doch zeigte sich seitdem unbestimmt kränkelndes Wesen und
das Kind wich mit Laufen und Springen verbundenen Spielen aus,
weil es danach Kurzathmigkeit und Herzklopfen bekam. Von
Zeit zu Zeit. trat trockner, krampfhafter Husten mit Brustschmer-
zen ein, meist im Frühjahre, ein Mal mit Blutauswurf, zu Zei-
ten mit Nasenbluten. So wuchs das Kind, scheinbar blühend und
bei hervorstechender geistiger Entwickelung, heran- und nur et-
was heraufgezogene Schultern, bisweilen Herzklopfen und sicht-
liches Respirationsbedürfniss erregten bisweilen einige Besorgniss,
Kundigen entging dabei nicht leichte Krümmung der Fingernägel,
und etwas Bläuliches in der Gesichtsfarbe. Im 12. Jahre er-
wachte das Mädchen in einer Sommernacht unter heftigen asth-
matischen Zufällen, die aber bald ärztlichen Anordnungen wi-
chen. Leibschmerzen und mehrtägiger Durchfall beschlossen die-
sen Zufall, worauf es sich ergab, dass das Mädchen stärker im
Leibe geworden war, so dass die gewohnte Kleidung in der
Taille loser angelegt werden musste, Jetzt nahm auch die Kurz-
athmigkeit bei jeder Bewegung zu, doch nicht beim Sprechen,
das bis zum Tode frei vor sich ging, das Herz klopfte dabei
stürmisch in unbestimmt intermittirenden Schlägen, nicht synchro-
nistisch mit den ruhigern Pulsen der Arterien, und es wurde hö-
here Lage im Bette Bedürfniss, Bei gutem Appetite schritt das
Wachsihum ziemlich vorwärts, nur wurde zuweilen. der Leib