VI. Staatsarzneikunde.
griffe? Zeigte sie nicht Reue? Durch die Erzählung ihres Fal-
jes mit allen Nebenumständen bethätigte sie auch Gedächtniss,
Dies alles ist nicht das Thun einer Blödsinnigen, — 2) Damni-
ficatin verräth nicht ein’Mal einen niedern Grad von Geistesschwä-
che. Die Zeichen der blossen Imbeciliität oder des leichtesten
Grades von Blödsinn, sind Mangel an Aufmerksamkeit, Besin-
nungs- und Denkvermögen, Ilang zu spielen und zu Possen, Nei-
gung, gedankenlos mit sich selbst zu schwatzen, Menschenscheu
nebst grosser Empfindlichkeit gegen Beleidigungen, und leichte
Reizbarkeit zu kindischein Zorne und kindischem Lachen, geist-
loser Blick und schlaffe Körperhaltung. Aus dem Vorigen geht
schon hervor, dass Damnificatin sich eines ungetrübten Erken-
nungs-, Vorstellungs- und Denk- Vermögens erfreut. Wo aber
der Verstand sich ungetrübt äussert, da kann die ganze übrige
Gruppe der Imbeeillität nicht vorhanden seyn. Eine Person, die
der Wirthschaft vorstcht, ihre Schwester hofmeistert und sich
als tüchtige Dienstmagd seit lange bewährte, kann nicht blödsin-
nig seyn. [Henke’s Zeitschr. f. d. Staatsarzneik., 1834, Hft. 3.
104. Beispiele von Selbstmord; aus amtlichen Berich-
ten mitgetheilt vom Medieinairathe und Leibarzte Dr. IIEYFELDER
in Sigmaringen. 1) Am 21. Febr. v. J. fand man, 15 Schritte
ron einem wenig besuchten Wege, im Thiergarten zu Sigmarin-
gen den’ 18jährigen, der Trunksucht ergebenen Forstzögling N.
erschossen. Der Leichnam lag mit ausgestreckten Schenkeln
auf dem Rücken; die rechte, sehr mit Blut bedeckte Hand
ruhte auf der rechten Weiche, die linke, deren |Finger und
namentlich der Daumen halb geschlossen und schwarz gefärbt
waren, neben dem Rumpfe. Die Kleidung war vollständig und
unversehrt; Mund, Nase und Ohren waren mit ausgeflossenem,
Festgetrocknetem Blute besudelt; durch die unverletzte Kopf-
schwarte fühlte man die Schädelknochen theils zerschmetiert,
theils auseinandergetrieben. Die Mündung des zwischen den
Schenkeln liegenden Doppelgewehres war gegen den Kopf ge-
richtet, der rechte Lauf abgeschossen, auf dem Piston ein halb
zerschlagenes Zündhütchen; der noch im linken Laufe befindli-
che Schuss bestand aus Hasen- und Hühnerschrot, gleich dem im
Schrotbeutel in der daneben liegenden Jagdtasche befindlichen;
neben dem Gewehre lag ein mit Blut beflecktes, frisch vom
Baume genonımenes und gabelförmig zugeschnitztes Buchenästchen,
Die Gesichtszüge waren ruhig, die Rückseite der 5 Fuss 9 Zoll
langen Leiche mit Todtenflecken bedeckt, die Brust breit und
mässig gewölbt, die musculösen Glieder steif. Zwischen der
Gal. aponeurot. und dem Cranium fand man viel geronnenes Blut,
alle Schädelknochen, gleich als wenn sie gesprengt wären, aus
ihren Suturen getrieben‘, zwischen dem Scheitelbeine und dem
grossen Gehirne einen fliesspapierenen, nach Pulver riechenden
und mehrere Schrotkörner enthaltenden Pfropf, gleich dem noch
im linken Gewehrlaufe befindlichen Schusse; der Schusscanal drang
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