Full text: (10. Band = 1835, No. 1-No. 8)

118 1. Pathologie, Therapie und medieinische Klinik. 
ger Stadtschreiber, lebhaft, sanguinischen Temperaments und von 
geringer intellectueller Bildung, stotterte so heftig, dass er von 
wenig Gebildeten stets verlacht wurde... Seine grösste Qual war 
das Vorlesen der Protokolle. Sr. unterwarf ihn 3 Mal dem oben 
beschriebenen Cyclus. Aüuch bei ihm zeigte sich nach den er- 
sten 3 Tagen die auffallendste Besserung, doch schritt dieselbe 
nach mehrmaliger Wiederholung der Curversuche nicht vor und 
Pat. wurde nach 4 Wochen wesentlich erleichtert, doch nicht 
gründlich geheilt, entlassen Er liest jetzt die Protokolle mit 
sehr mässiger Anstrengung, die so gering ist, dass er selbst sich 
für geheilt hält. Beim geringsten Affecte ist er aber nicht mehr 
Herr seiner Sprache und leichte Erregung des Gefühls ruft 
atarken Stotterkrampf hervor. — IL Der Sohn eines reichen 
Menoniten war dem Verf. von seinem Vater brieflich angemel- 
det worden. Eines Nachmittags trat ein wohlgebildeter junger 
Mann in St’'s. Zimmer und versuchte eine Anrede, wobei er die 
Gesichtsmuskeln so sonderbar verzog, dass Sr. und die an Stot- 
ternde gewöhnten Seinigen das Lachen kaum unterdrücken konn- 
ten. Der Vrf. besann sich schnell, dass dies wohl sein neuer 
Pat. seyn möge und redete ihn als solchen an. Kr war von der 
sanftesten, ruhigsten Gemüthsart, stotterte aber so heftig, wie 
dem Vrf. noch nicht vorgekommen war. Er blieb 4 Wochen in 
S1’s. Hause und wurde dann vollkommen geheilt entlassen und 
zwar mit so nachhaltiger Wirkung, dass er noch jetzt, 4 Jahre 
nach seiner Heilung, ganz gut spricht, IV. Der 12jährige Sohn 
eines Bauers’ stotterte so entsetzlich , dass ihn durchaus kein Frem- 
der verstehen konnte. Er war völlig ungebildet und konnte nır 
sehr dürftig lesen. Ohne Hoffnung brachte St. das in Rede ste- 
hende Verfahren bei ihm in Anwendung, und es gelang wider 
Vermuthen bis zu einem gewissen Grade, Nach 3 Wochen konnte 
er sich oft Viertelstunden lang ohne Anstoss mit den Kindern 
des Vrfs. unterhalten und auch mit Fremden unbefangen und mit 
geringem Kampfe sprechen. Es ging offenbar um sehr vieles 
besser. Nach 6 Monaten meldete aber der Vater, dass sein 
Stottern mit ganz ungeschwächter Heftigkeit wiedergekehrt sey, 
und 2 Jahre nachher sah ihn Sr. als tüchtigen Jungen, der aber 
no heftig etotterte, als man nur denken kann. V. Der 14jährige 
Sohn eines Predigers, ein munterer, geistreicher Knabe stotterte 
seit frühster Kindheit und empfand dies um so schmerzlicher, 
weil er studiren wollte. Er unterwarf sich der erwähnten Be- 
handlung, und wiewohl er mit Ausdauer die Vebungen fortsetzte, 
dauerte es doch % Wochen, ehe seine Heilung so weit gediehen 
war, dass er unbefangen mit jedem Fremden sprechen konnte. 
2 Monate nach der Heilung kehrte jedoch das Uebel, wenn auch 
im geringern Grade wieder. — In diesen 5 Fällen hat die Me- 
thode der Madame LeıcH nur ein Mal radicale Heilung bewirkt, 
in den übrigen aber das Leiden der Stotternden wesentlich ver- 
mindert, nachdem in allen Fällen unmittelbar nach der Cur Ra-
	        
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