Il. Pathologie, Therapie und mediclnische Klinik. 185
Angst trieb sie einige Mal bis zur Verzweiflung und zn Selbst-
mordsversuchen. Nach mehrern Anfällen von Tobsucht verfiel
sie in. Melancholie. So präsentirte sie sich dem Verf., bleich,
nit mattem, unbelebiem, gleichgültigem Blicke, sehr abgemagert
und schwach. Ihr Schlaf war unruhig, ihre Angst und innere
Unruhe steigerten sich gegen Abend, ihr Appetit war unregel-
mässig, zuweilen sehr stark; ihre Regeln cessirten seit 8 Wo-
chen, der Puls war klein, die Extremitäten kalt, der Stuhlgang
träge. Die (melancholische) Kranke sass ganz stumm, mit zue
Erde gesenktem Blicke vor sich hinbrütend, olıne einen Laut
von sich zu geben, ohne sich umzusehen, wenn Jemand ins Zim-
mer trat und ohne an sie gerichtete Fragen zu beantworten.
Nichts, selbst nicht die von ihr zärtlich geliebte Mutter, ver-
mochte einen Eindruck auf sie, zu machen und kaum konnte sie
dahin gebracht werden, für ihre Bedürfnisse zu sorgen und ei-
nige mechanische Arbeiten auszuführen. — Nach Regulirung der
Diät und Lebensordnung musste die Kranke täglich ein lauwar-
mes Bud nehmen und für Leibesöffnung sorgen; aber es hielt
schwer, sie täglich zu wiederholten Malen im Garten umherzu-
führen, Von Anfange Oktobers aber erhielt sie alle 8 bis 10
Tage ein Brechmittel, täglich ein Sturzbad und bei grösserer
Unfolgsamkeit die Douche, Erst Mitte Februars stellten sich,
nach einer langen Unterbrechung, zum ersten Male wieder die
Regeln ein, die auch im März repetirten. Die Kranke hatte bis
dahin doch in so fern Fortschritte gemacht, dass sie sich nur
höchst selten noch verunreinigte, sich an die Hausordnung ge-
wöhnt, ordentliche Leibesöffnung und in körperlicher Beziehun-
gen Fülle und Kraft gewonnen hatte; allein ihr Geistiges hatte
keine wesentliche Veränderung erlitten und war diese 7 Monate
hindurch andauernd in Torpidität geblieben. Dahingegen erschien
Pat. den 9. April, ohne bekannte Veranlassung, ganz plötz-
lich wie umgewandelt: sie war voller Leben und Beweglich-
keit, gang freundlich und geschwätzig; sie funkelte mit den Au-
gen hin und her, sprach in gewählten Ausdrücken und beharrte
keinen Augenblick auf demselben Fleck. Nach einigen Tagen
trat ihr Monatliches ein, und sie war dabei weniger aufgeregt
und beantwortete an sie gerichtete Fragen natürlicher und ver-
ständiger. Allein die warme Mai- Witterung regte sie wieder
mehr auf; sie klagte über nichtige Dinge; steckte heimlich bald
dies, bald jenes zu sich; sie schlief unruhig und gestört, ass
mehr als sonst und benahm sich unkeusch, Die Regeln stellten
sich 5 Tage: vor der Zeit ein: die Kranke verlor immer mehr
das Excentrische; sie ward ruhiger in ihrem Benehmen, schlief,
ass und verdaute und bekam Sehnsucht nach den Ihrigen. Ihre
Aufregung kehrte vor dem Kintritte der nächsten Periode zurück
und legte sich nach dem Durchbruche derselben; aber die Kranke
blieb zerstreut und verworren und fand Vergnügen daran, auf
alle erdenkliche Weise Schaden guzufügen. Nach bis zur Kr-