02
IV. Chirurgie und Ophthalmologie.
IV. CHIRuRSIE und ÖPHTHALMOLOGIE,
57. Ueber Trepanation; vom Kreisphysicus Dr. EsER-
MAIER in Düsseldorf. Die Anzeigen zur Trepanation haben von
je zu den vielfältigsten Widersprüchen Gelegenheit gegeben. Noch
jetzt, nachdem der Kampf wieder einige Zeit geruht, herrechen
über dieselben, so wie über den Nutzen der "Trepanation über-
haupt, die verschiedensten Ansichten, Etwas Klares. und Fest-
stehendes ist aber über diese Operation um so nöthiger, -als die-
selbe nur zu oft auch in forensischer Hinsicht zur Sprache kommt,
Vergleicht man indessen die gerichtlichen Fälle, in denen die
Trepanation unternommen wurde, so endigen sie leider gewöhn-
lich mit dem Tode und dem Gutachten liegt dann das undank-
bare Geschäft ob, zu erörtern, in wie fern die Operation am
Tode schuldlos war und wie sie durch die Verletzungen eben so
angezeigt, als ihre Erfolglosigkeit zugleich bedingt war. Die
Mehrzahl von Fällen, wo die Trepanation nichts nützte, hat sie
bei vielen Wundärzten des ersten Ranges um allen Ruf gebracht.
DrsauLT wandte sie in der letzten Zeit seines Lebens gar nicht
mehr an, weil der Ausgang stels zu ungünstig sey und LAWRENCE
tritt dieser Ansicht bei, da auch er die meisten nach ihr sterben
und nur sehr wenige durch sie gerettet sah. Auch DIEFFENBACH
hat erst vor kurzem ausgesprochen , dass die Trepanation bei wei-
tem nicht so oft angezeigt sey, als man gewöhnlich glanbe und
er früher selbst geglanbt habe. Während aber LAwrRENCE sie
jedenfalls nur auf die Fälle von Fractur beschränkt wissen will,
wo sich zugleich Depression mit Symptomen von Druck auf das
Hirn findet, glaubt Lisron, dass jeder Schädelverletzung durch
scharfe Körper mit Trennung der Kopfhant und complicirter Fractur
in der Regel Zersplitternng der innern Tafel folge und dass des-
halb ohne Weiteres die Trepanation nöthig sey, da schon diese
Fractur ohne ein schlimmes Zeichen, ohne die geringste Störung
der Funetionen hinreichend zur frühen Trepanation berechtige
und noch bevor die innern Risse, die immer grösser, als die
äussern wären, reizten und dadurch Entzündung verursachen
könnten. In Deutechland hat LouvrıkeR eben so wenig die sei-
ner Ansicht entgegengesetzte RıcHTER’s verdrängen können, als
Zanc, EIcHnergerR, v. Kern u. A, überall geltende Sätze auf-
stellen konnten, da besonders der Nutzen der prophylaktischen
Trepanation mit Recht immer noch manchem Zweifel unterwor-
fen bleibt. Erfahrene Wundärzte scheinen überzeugt zu seyn,
dass die Trepanation eigentlich nur wenig, oder nichts nütze und
sie nur zu unternehmen sey, um irgend einem Vorwurfe zu entge-
hen. Auch MirtzeerR schlägt ihren Einfluss in forensischer Be-
ziehung als sehr unbedeutend an. Doch mag es wohl der Tre-
panation, wie so manchem andern medicinischen Gegenstande
gehen, es mag die Ungewissheit mehr in der Individualität der
Künstler und Fälle, als in der Natur des Gezenstandes und der