ji. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. -
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lichen Krankheit unterschieden und nicht selbst als etwas Krank-
haftes betrachtet wird. Ausserdem aber trifft es sich in der
That, dass dieselbe Ursache, wenn sie gelind, fortdauernd, lang-
sam und allmählich einwirkt, zuerst.eine gewisse Disposition be-
gründet und, wenn ihre Wirkung plötzlich hoch gesteigert, stür-
misch und gewaltsam wird, den wirklichen Ausbruch der Krank-
heit veranlasst. Eine gegebene Krankheitsursache verhält sich
auch zu einer andern, gewöhnlich gelindern, als exeitirende, und
zu einer dritten, meistens potentern, als disponirende; jedoch
muss zwischen disponirender und excitirender Ursache eine gewisse
Gleichförmigkeit bestehen und sie dürfen, sollten sie ein gemein-
games Krankheitsproduct erzeugen, in ihrer Wirkungsweise nicht
zu sehr verschieden, am wenigsten aber sich entgegengeseizt
seyn. — Man spricht von nähern Ursachen, im Gegensatze
der entferntern; allein es ist kleinlich und unangemessen, für
den einzelnen Krankheitsfall die disponirenden und ‚gelegen-
heitlichen Ursachen in der nächsten Umgebung aufzusuchen, ohne
seinen natur - und welthistorischen Zusammenhang zu berücksich-
tigen. Der in sumpfigen Niederungen Geborene, später in eine
hohe Berggegend, wohin die Sumpfluft nicht dringen kann, Ue-
bersiedelte und hier seit Decennien einheimisch Gewordene wird,
während in den Niederungen eine Wechselfieberseuche herrscht,
in der Mitte einer übrigens gesund gebliebenen Umgebung vom
Wechselfieber befallen und hat dieselbe Disposition zu Rückfäl-
len, wie in den paludösen Niederungen, verliert auch diese Dis-
position nicht eher, als bis jene Epidemie schweigt. Der En-
kel zahlt die Schuld der Väter, und die Sünden derselben wer-
den noch im siebenten Gliede der Generationen geahndet: ein
grosser Theil der Krankheitsursachen ist angeboren. Wenn hier
die beiden Glieder der causalen Kette der Zeit nach auseinander-
gezogen, aber nicht zerrissen sind, so liegen sie bei Seuchen
und Volkskrankheiten dem Raume nach nicht weniger auseinan-
der. Dies ist nicht bloss von contagiösen, sondern auch von an-
dern Krankheiten. zu verstehen: eigenthümliche atmosphärische
und tellurische Veränderungen am Ganges erzeugen in einer Ent-
fernung von vielen hundert geographischen Meilen bei uns eine
Seuche, Witierungsveränderungen, sagt ein ‚geistreicher Natur-
forscher, sind Producte eines chemischen, eines Destillations-,
Sublimations - und Präcipitationsprocesses, dessen Retorte in den
heissen Steppen von Africa steht und dessen Leitungsrohr bis zu
uns reicht. Nenne man diese Verhältnisse auch immerhin gröb-
lich materiell, so bleibt es doch eine bekannte, aber in der Ae-
tiologie bis jetzt noch nicht benutzte Thatsache, dass die Grösse
der Mortalität, und somit auch das Steigen und Fallen des In-
tensitätsgrades der herrschenden Krankheiten in einem Lande von
umgekehrten Verhältnissen derselben in andern Ländern abhängt,
dass die grössere Fruchtbarkeit und die raschere Vermehrung des
Menschengeschlechts nach verheerenden Seuchen nicht bloss in
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