Full text: (9. Band = 1834, No 17-No 24)

4 1. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 
innerliche Krankheitsursache , krankhafte Anlage anders, als schon 
etwas Krankhaftes? Gavsıvs nennt zwar die innerliche Ursache 
auch den Anfang, das Princip, ja sogar den Samen der Krank- 
heit; allein diese Abweichung vom Prototyp des Lebens und 
der Gesundheit ist schon Product einer Krankheit. Ist der wohl 
gesund zu nennen, welcher eine entzündliche Anlage mit sich 
herumträgt, wenn er auch nicht an Entzündungsfieber, nicht an 
wirklicher Localentzündung leidet? die innerliche Krankheitsur- 
sache ist die noch nicht entwickelte Krankheit, aber wie ent- 
steht diese Krankheitsursache, welche sich zur Krankheit selbst 
als Anlage verhält? Man unterscheidet sie von den äussern ac- 
cessorischen und nennt diese excitirende oder Gelegenheits-Ursa- 
chen. Mit der Anlage, als Receptivität für diese Schädlichkei- 
ten wird nichts erklärt, sondern bloss gesagt,‘ dass ohne die be- 
stehende Anlage jene schädlichen Potenzen ganz unwirksam sind, 
dass die äussern krankmachenden Ursachen auf einige Menschen 
sehr heftig, auf andere schwach und auf manche gar nicht ein- 
wirken, dass sie also eigentlich keine krankmachende Ursachen 
sind, sondern nur etwas schon vorhandenes Krankhaftes zu exci- 
tiren, zu entwickeln und zu beleben vermögen. Wie nun aber 
dieses ursprünglich krankhafte Innere entsteht, wissen, wir nicht, 
aber wir wissen, dass die Gelegenheitsursachen auch die Dispo- 
sition begrüuden können. — Der Katalog der excitirenden Ur- 
sachen ist sehr klein; sie sind nur auf wenige Momente beschränkt, 
welche sich fast in der Monographie jeder Krankheit wiederho- 
len. Welches Heer von Krankheiten soll z. B. ihr Daseyn ra- 
schen Temperatur - und andern Veränderungen der Atmosphäre 
verdanken, Gleiche Ursachen sollen die verschiedenartigsten 
Krankheiten erregen, aber die Frage, warum gerade diese be- 
stimmte Krankheit und keine andere entstand, bleibt gänzlich 
ungelöst. Wie scheinbar durch eine und dieselbe äussere Ursa- 
che, durch die Frühlingswärme, die verschiedensten Gewächse 
entstehen, 80 entwickelt eine gewisse Luftbeschaffenheit die ver- 
schiedensten schon präformirten Krankheitskeime; allein wo letz- 
tere fehlen, können selbst die Krankheitsgenien von der schlimm- 
sten Art keine aufgehen lassen. Dass die bis dahin schlummern- 
den Krankheitskeime sich zu verschiedenen Jahreszeiten und in 
verschiedenen Lebensaltern entwickeln, mag durch die analoge 
Erscheinung in der Pflanzenwelt erklärt werden, wo die verschie- 
denen zu gleicher Zeit ausgestreuten Samen zu verschiedenen 
Jahreszeiten keimen, sprossen, blühen und Früchte tragen. Die 
gewöhnlichen Krankheitsursachen, namentlich die. gelegenheitli- 
chen und excitirenden , sind daher meistens nur negative Bedin- 
gungen der Entwickelung schon präexistirender Krankheitsformen; 
in unsern dickleibigen nosologischen Systemen aber stehen weit 
mehr Krankheiten, als es wirklich giebt. — Wenn Gaurıms lehrt, 
dass die Gelegenheitsursachen auch die Disposition begründen kön- 
nen, so ist dies ein Widerspruch, wenn die Aulage ganz von der wirk-
	        
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