568 Ill. Materia medien und Toxikologie.
von allen angeführten Qualitäten selbst gegessen und doch keine
übeln Folgen darnach gespürt, er hat ferner gegen 300 dersel-
ben aus einem Fasse untersucht, aus dem eine junge Dame 25
Stück, gehörig gekocht, genossen hatte und davon nach wenigen
Minuten vergiftet war, ohae nur das Geringste an ihnen zu ent-
decken. Kurz,. man kennt das Muschelgift bisher noch nicht,
und sollte der Verf, seine Meinung über das Wesen desselben
aussprechen, so würde er dasselbe für Product einer Krankheit
der Muschel halten, welcher diese nur zu gewissen Jahreszeiten,
Oder unter besondern Umständen ausgesetzt ist. Gewiss ist es,
dass Vergiftungsfälle nie im Herbete, oder bei strenger Winter-
kälte, sondern immer gegen den Frühling bei lauem Wetter vor-
kommen, wa die Muschelu in ungeheurer Menge durch. See-
stürme in die Strömungen von süssem Wasser verschlagen wer-
den ubd beim Landtransport sich gern öffnen; dass ferner in
Scestädien, wo diese Thiere in der Regel roh, ungekocht und
unnsittelbhar nach dem Fange gegessen werden, Vergiftungsfälle
fast unerhört sind. Dasa eine beim Kochen der Muscheln in die
Dance Se3afang Zwiebel, oder ein darein gehaltener Löffel
schwarz würden, wenn eine giftige darunter wäre, ist nicht wahr.
Faule Muscheln entwickeln wohl in der Siedehitze Schwefel-
wasserstoffzas und schwärzen Silber, doch diese verrathen sich
durch ekclhaften Geruch und missfarbiges Ansehen schon hinrei-
chend; indess findet man sie häufig unter gesunden, ohne dass
nach dem Genusse derselben, obgleich sie‘ zusammen : gekocht
worden und Silber schwärzten, Vergiftung erfolgte. Ehen so
Mrichtig ist es, dass Idiosynkrasie nur bei gewissen zarten Per-
sonen Vergiftung nach Muschelgenuss bedinge. K. kennt kräf-
tige Männer und Frauen, die Jahre lang und oft Muscheln ohne
Nachtheil assen, und bei denen später doch Vergiftungsfälle ein-
traten, Dagegen können‘ zarte und schwächliche Personen, selbst
Kranke, ziemlich viele Muscheln ohne Schaden zu sich nehmen.
Auch ist es nicht übermässiger Genuss, der Vergiftung herbei-
führt. Es können wohl Indigestionen danach erfolgen, wem
anch sehr selten, da die Muscheln ganz leicht zu verdauen sind,
aber nie jene Vergiftungserscheinungen im fürchterlichen Grade,
mit eizgenthümlicher Schnelligkeit und mit specifikem Charakter,
— Nacfı K, giebt es % verschiedene Grade von Vergiftung mit
Seeanschein. In einen erfolgt sie plötzlich und unmittelbat
nach dem Genusse in ganzer Stärke und mit Exanthem, im an.
dern treten die schädlichen Folgen nur allmählich, viel schwä-
cher und ohne Exanthem ein, dauern aber sehr Jange, Er
möchte beide mit acotem und chronischem Vergiftungsgrade be-
zeichnen, Folgende 2 Fälle sollen ein Bild davon geben: ein
kräftiger, gesunder, S3jähriger Mann, ein tüchtiger Esser nud
Weintrinker, ass Ende März bei regnichter Witterung eines
Abends um 8} Uhr ohne seit Mittag etwas zu sich genommen
zu haben, sehr gute, frisch aussehende und schmackhafte See-