Full text: (9. Band = 1834, No 17-No 24)

202 MM. Pathologie, Therapie und medieinische Klinik, 
die Vaceination in der ersten Zeit nach ihrer Entdeckung mehr 
auf den Organismus, als es jetzt geschieht. 2) Die Kuhpocken- 
Iymphe ist das krankhafte Product eines, von dem menschlichen 
Körper verschiedenen, thierischen Körpers, welches, dem mensch- 
lichen Organismus mitgetheilt und von dessen eigenthümlichen 
Kräften bearbeitet, schwerlich ein, dem ursprünglichen Urstoffe 
ganz ähnliches, Product erzeugen wird, zumal wenn es eine lange 
Reihe von Jahren durch viele Körper gewandert ist. 8) Bei der 
Vacceination geschieht dem menschlichen Organismus Gewalt, ihm 
wird ein fremder Stoff aufgedrungen; er wird ihn nicht immer 
mit der Summe von Kraft bearbeiten, wie das, von dem Orga- 
nismus freiwillig aufgenommene Contagium anderer Exantheme bei 
vollkommener und thätiger Disposition bearbeitet wird; das Pro- 
duct kann also nicht immer gleich wirksam seyn. 4) In dem 
menschlichen Körper, auf welchen die Kuhpocken-Lymphe über- 
getragen wird, schlummern oft ererbte und erworbene Disposi- 
tionen zu mancherlei Uebeln; er unterliegt verschiedenen Krank- 
heiten, welche dessen dynamisch - organische Kräfte umstimmen 
und die auf fremdem Boden gezogene Pflanze in ihren Eigen- 
schaften verändern. — Aus dem bisher Vorgetragenen glaubt 
Vf. schliessen zu dürfen, dass natürliche Blattern, Varioloiden 
und Varicellen eine und dieselbe Krankheit unter verschiedenen 
Formen darstellen, dass die Kuhpocken hloss eine gewisse Zeit 
gegen Pockenansteckung schützen; nach ihrer noch bestehenden 
Wirksamkeit die ausgebrochenen Blattern mildern und modificiren; 
dass die Disposition zu den Menschenblattern in umgekehrtem 
Verhälinisse mit dem seit der ersten Vaccination verflossenen 
Zeitraume wieder hervortrete; dass die Kuhpockenlymphe durch 
fortgesetzten Gebrauch ihre ursprüngliche Eigenschaft und somit 
einen Theil ihrer Schutzkraft verlieren könne; dass die Empfäng- 
lichkeit für die Menschenblattern durch die erste Vaccination nicht 
allemal ganz getilgt werde und dass der prophylaktische Eindruck, 
welchen die Vaccination auf den menschlichen Organismus macht, 
mit der Zeit schwächer werde. — Vf. zieht aus diesen Erfahrun- 
gen drei Folgerungen, um die Menschheit gegen Pockenanste- 
ckung vollkommen und dauerhaft zu schützen und der Vaccination 
die Rechte einer segensreichen Entdeckung zu sichern: 1) Es 
darf nur eine, in ihren ursprünglichen Eigenschaften unversehrte 
Kuhpockenlymphe zur Vaccination verwendet werden. Man nehme 
sie deshalb von ihrem. ursprünglichen Sitze, von dem Kuheuter. 
Da dies aber nur selten möglich ist, so verpflanze man sie all- 
Jährlich auf ihren ursprünglichen, natürlichen Boden, den Kuh- 
euter, damit sie hier die durch langen Aufenthalt im menschli- 
chen Organismus verloren gegangenen oder geschwächten Eigen: 
schaften wieder erlange. — 2) Man rufe durch die erste Vac- 
eination einen grösstmöglichsten Grad von Kuhpockenimpfung her- 
vor. Der Impfarzt muss deshalb alle schädlichen Einflüsse, welche 
die normale Entwickelung der Kuhpocken stören, entfernt halten,
	        
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