Vorwort*
Mit dem vorliegenden 5ten Bande findet die Volksausgabe des Schleswig-Hol
steinischen Wörterbuchs ihren Abschluß. Die Arbeit daran hat mich länger als ein
Menschenalter beschäftigt, und oft habe ich gezweifelt, ob es mir vergönnt sein
würde, das Werk zu Ende zu führen. An Hemmungen aller Art hat es nicht ge
fehlt. Von den Hindernissen, die bei der vorbereitenden Sammeltätigkeit, nament
lich durch den Weltkrieg, uns entgegentraten, ist bereits im Vorwort zum ersten
Bande berichtet. Aber damit waren die Schwierigkeiten keineswegs zu Ende. Als
sich durch die Entschlossenheit und die Tatkraft des Herrn Verlegers wider Er
warten schnell die Möglichkeit der Veröffentlichung bot, galt es, dem Versprechen
gemäß zu jedem Vierteljahrsersten eine Lieferung in dem in Aussicht gestellten
Umfang herauszubringen. Wenn das 10 Jahre lang pünktlich auf den Tag gelang,
so war es oft nur bei äußerster geistiger und körperlicher Anstrengung möglich,
und die immer wieder drängende Frage, ob die Arbeit zur rechten Zeit fertig
werde, bereitete manche sorgenvolle Stunde. Was mich immer wieder vorwärts
trieb, auch wenn die Kraft einmal zu erlahmen drohte, das war die freudige Zu
stimmung, die mir aus allen Kreisen meiner Landsleute während der langen Jahre
ununterbrochen entgegengebracht wurde. Zahlreiche Zuschriften bewiesen mir immer
wieder, daß die Arbeit nicht umsonst getan wurde. Ein fast Achtzigjähriger
schrieb mir einmal, daß er das Erscheinen jeder Lieferung kaum erwarten könne
und daß es die größte Freude seines Alters sei, sich in den volkstümlichen Stoff,
der hier in reicher Fülle dar geboten wurde, zu versenken.
Es war wohl die letzte Stunde, in der ein Werk, wie es mir vorschwebte, in An
griff genommen werden konnte. Schon während der 30 Jahre, die seit dem Be
ginn der Arbeit verflossen sind, ist ein erheblicher Teil volkstümlichen Gutes ret
tungslos zu Grunde gegangen. Bei Nachfragen zeigte sich immer wieder, daß
viele Wörter und Bräuche dem jüngeren Geschlecht schon völlig unbekannt waren.
So war es ein Glück, daß ich in den ersten Jahren der Sammeltätigkeit noch
Achtzig- und Neunzigjährige eingehend befragen konnte. Wenn man bedenkt, daß
diese Alten ihre Kenntnis zum großen Teil nicht bloß aus ihrer eigenen Jugend
und von ihren Eltern hatten, sondern auch manche Äußerungen und Erzählun
gen ihrer Großeltern in treuem Gedächtnis bewahrten, so kann man sich aus
rechnen, daß die unmittelbare mündliche Überlieferung um mehr als anderthalb
Jahrhunderte zurückreicht, also jedenfalls vor die Zeit, wo Schütze sein Holsteini
sches Idiotikon verfaßte, das in den Jahren 1800—1804 erschien. Da Schützes
Werk überdies, wie sich immer mehr herausstellte, nur einen sehr kleinen, oft zu
fällig zusammengeraf ften Teil des damals lebenden Sprachschatzes erfaßte, so konnte
im Wörterbuch vieles gebracht werden, was sich bei Schütze nicht findet. Diese