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Kiem — Kiewitt
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zählt ist. Entstellt zu Kielkopp „Dickkopf“,
„Dummkopf“ Holst. Vgl. Weigand 1, 1032.
Kiem (klm) m. „Keim“; s. Kien 1 . Auch
„Schimmel“ auf Wein, Bier oder eingemach
ten Sachen“ Holst. 1800 (Sch. 2, 253). Dazu
k i e m i g (kl-ml) adj. „schimmelig“ (Sch. 2,
254).
Kiemen (klm) m. plur. „Kiemen“, aus
dem Hochd. für plattd. Keben (s. d.). he
grippt em in de K. „packt ihn“ Ang. he is
doll in de K. „wütend“ Ang.
Kiemer (klma) m. „Böttcher, der große
Kübel und Gefäße macht“; vgl. Bötjer (I,
493), Küper; mnd. kimmer u. kiemer; zu
Kimm (s. d.) Holst. 1800 (Sch. 2, 254. 367:
„der die Weinfässer bindet“).
Kien 1 (km) und Kiem (klm) plur. K—s
m. „Keim“; mnd. kirne u. leine; vgl. alts.
kinan „hervorkeimen“, ags. cinan „bersten“.
Die Form auf —n gilt jetzt als reineres
Plattdeutsch, während die auf —m als Über
tragung aus dem Hochd. empfunden wird.
de K. reckt sik in de Eer Groth 2, 335. Da
zu: kienen (kien) sw. v. „keimen“, de
Saat kient all Holst. Hochzeitsged. von
1725: in Süden de besten Arfen kienen
(: schienen). Das Kompositum ut-kienen
wird bes. vom Auskeimen der Kartoffeln
gebraucht, wenn sie im Frühling im Keller
zu treiben anfangen. — k i e n i g (kvni)
adj. „kräftig“, „nahrhaft“. Arfen is’n k.
Eten Dtm.
Kien 2 (kln) m. „das harzvolle Holz der
Kiefer“, „Kienholz“; mnd. ken u. kin. Dazu:
k i e n i g (klni) adj. „harzig“, dat Holt is k.
Dtm. Zsstzg. Kien-rook (kl-nrög), ver-
einz. Kien-root (kvnröd) m. „Kienruß“.
K. wird, mit Thran vermischt, zum Schmie
ren und Schwärzen der Stiefel, des Pferde
geschirrs, auch der unteren Teile der Wände
benutzt. In einem Kniereiterlied aus Hus.
erscheint die hochd. Form Kieneruss: hotte,
hotte hele, Peter fyhrt to Myhle; as he bi
de Mghle keem, keem en schwarte Mann,
de Mann de hete Peterus, harr en Sack vull
K., maakt alle Kinner schwärt, schwärt,
schwärt. — Zsstzgen: Kienrooks-kerl
Groth 3, 222, — t ü n n Groth 4, 12.
Kienpoost (kvnpös) m. „Gagel“, Myrica
gale (Wh.).
Kiep (klb) f„ K i e p - k o r f m. Pellw.
„Kiepe“, großer, langer geflochtener Korb
zum Tragen auf dem Rücken, selten Hand
korb; mnd. kipe. wenn de Pracher keen
Olück hett, verlässt he dat Brood ut de K.
Holst, wenn ok all de Prachers starft, ik
nrf doch keen K. FL. jede Pracher laaft
sien K. Oh. man schall nich ghrer „haal
Fisch!“ ropen, ghrer man weck in ’e K. hett;
vgl. Aal I, 3; Fisch II, 110. den Suurn gruut
vor de K—en „vor den aus der Stadt zu
rückkehrenden Bauerfrauen“ Oh. he hett
de K. krggen oder sik ’n K. haalt „er hat als
Freier einen Korb bekommen“ Storm.
(abst.);vgl. Sch. 2, 254 und Schufel. Spott
reim: Grootmoder mit de K. sammelt
Swiensschiet to de Hochtied Elbm.; vgl. H,
828. K. im Wiegenlied s. hgren II, 915. —
Zsstzgen: Kiepen-dr^ger u. —kerl
m. „Kiepenträger“, „Handelsleute auf dem
Lande“; vgl. Sch. 2, 254. — Vgl. Aal- (I, 4),
Dösch- (I, 819), Drgg- (I, 853), Immen-kiep
(II, 994). — Scherzhaft wird K. für „Leib“,
„Bauch“ gebraucht: he hett sik ’n bannige
K. toleggt „ist sehr dick geworden“ Holst.
1800 (Sch. 2, 254) Dtm. he fritt sik wat up
de K., sleit sik de K. vull vom Fresser, he
fritt, as wull he sien K. op Leesten („Lei
sten“) leggen Sdtm. (abst.). du bruukst de
K. nich ümmer op ’n Leesten to hemm
„nicht immer so viel zu essen“ Sdtm. ik heff
em mit’n lerdige K. lopen laten „ihn hun
grig gehen lassen“ Sdtm. (abst.). he sleit
(stött) em op’e K., gif ft em wat op (lang)
de K. „prügelt ihn“, paß op, dat du di dat
ni op ’e K. rittst (etwa eine wacklige Mauer
oder dgl.) Dtm. Dazu: Kiep-sghr (Eid.)
und — weh (Dtm.) n. „Leibschmerzen“.
Kiersei (kl-azai) m. „grobes geköpertes
Wollenzeug“, „Wollrock der Frauen“ Hatt-
stedt (Hus.); mnd. kirsei; Neok. 1, 160. Aus-
gestorben.
Kies 1 (kls) m. „grober Sand“, nicht volks
tümlich, dafür Grand (II, 464). he hett K.
„ist reich“; vgl. Geld II, 340.
Kies 2 (kls) f. „Raum an der Scheunen
diele zum Lagern des geernteten Getreides“
Schw.; s. Kock, Schwansen 2 S. 329.
Kiewitt (kl-vid) u. Kiewiet (krvld),
plur. K—en, m. „Kiebitz“. Der Name ist
nach dem Ruf des Vogels gebildet. Er ruft:
K., wat för’n schönen Vagei bün ik! Dtm.
Vgl. Hebbel, Nibelungen 2345 f. Zur Be
zeichnung stolzen und hochmütigen Wesens
oft: he smitt sik in de Bost (steilt sik, tiert
sik, dreiht sik, maakt sik/ as ’n doden (kran
ken, naakten) K. he is bang vör’n doden K.
„Angstmeier“; vgl. bang I, 226. de K. will
dat ganse Moor verbiddm („schützen“) un
kann sien egen Nest ni verbidden wenn je
mand sich um fremde Angelegenheiten küm
mert und seinen eigenen nicht vorstehen
kann; Holst. 1840. Wm.; vgl. Sch. 2, 261
(Hamburg), laat den K. stippen (s. d.), ik
heff de Eier in Hoot Holst. 1840. — Kinder
rufen, wenn sie einen K. sehen: K., wo blief
ik? In (achter)’n Brummelbgrbusch (Stick-
bgrnbusch), dor fleit ik, dor sing ik (oder
dor dans ik, dor spring ik), dor heff ik mien
Lust; Variante aus Lbg.: dor see („säe“) ik,