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lieken — Liep
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(entstellt zu liebsterwelt Kh.) adv. „grade
so“, dat is dor in ’t Dörp noch l. as sünst
Dtm. FL. Kh.; auch ursprüngl. ein adver
bialer Genetiv wie lieksterwies; bei Seh. 3,
38: lieker Welt as „gradeso als“. — liek-
s ü k adv. „von gleicher Art“, se hett Ummer
allens l. „trägt immer dieselben Kleider,
ohne einen Unterschied zwischen Sonntag
und Alltag zu machen“ Dtm. dor is Ummer
allens l. „bei den Leuten ist es einen Tag
wie den andern“ Dtm. Vgl. Groth 2, 85:
he weer goodmödi, liekto un liekersück
„gleichmäßig“. Der zweite Bestandteil sük
bedeutet „solch“ und steckt auch in dem
Fragewort wosük „wie so?“ (wörtl. „wie
solches?“); I. ist also eigentlich „in gleicher,
ebensolcher Weise“. — liekzen sw. v.
beim Marmelspiel Swupps un Knack, das im
Gehen (z. B. auf dem Schulweg) gespielt
wird, den Mitspieler auffordern, die Kugel
in der Kichtung der Fortbewegung zu legen
(Kh.).
Liekdorn (Ivgdgcin) m. „Leichdorn“,
„Hühnerauge“; eigentl. „Dorn im Körper“
zu Liek 1 in der früheren Bdtg. „Leib“, „Kör
per“. pedd di man nich op ’n L. von einem
Hochmütigen, ik heff em arig op de Liek-
dgrn pedd „ihn beleidigt“, he sitt so krumm
op ’t Pgrd, as wenn he Liekdgrn in ’n Ach
tersten harr Preetz. Bei Storm. Ges. W. 4,
299 heißt ein Hühneraugenoperateur Peter
Liekdorn. Schmerzen im L. deuten auf
schlechtes Wetter. Um Leichdörner zu be
seitigen, streicht man mit einer schwarzen
Schnecke dreimal kreuzweise darüber und
wirft sie dann schweigend über die Achsel
(FL.) oder spießt sie auf einen Dorn (Schw.).
Auch Poggenkullerplaaster wird gebraucht.
Liem (lim) m. „Leim“, dat geit ut ’n L.
„aus dem Leim“ wie im Hochd. em is de
Kopp ut ’n L. „er ist abgespannt, wirr“. Da
zu: liemen sw. v. „leimen“, hüt Nacht
hett dat bannig liemt „stark gefroren“
Flensb. (seit.). — Zsstzgen: Liem-dwing
= Kieldwing III, 108. — pinn f. „Leim
rute zum Vogelfang“ Flensb. 1850. —pott
m. „Leimtopf“; Meister L. „Tischler“ Schw.
— stang f. „Leimstange“, in der Ea. mit
de L. lopen „Neuigkeiten einsammeln und
das Gehörte gleich überall kritiklos weiter
erzählen“ Flensb. Ang. Hollingst. (Treene)
1850; nach dem dänischen lobe med lim-
stangen „sich anführen lassen“.
Lien 1 (lin) m. „echter Lein“, Linum usi-
tatissimum, die Pflanze und der Samen.
Wenn in einer Gesellschaft plötzlich eine
Stille eintritt, heißt es: nu kümmt en stille
Flaag (II, 120), nu is good L. seien (dazu
wählt man einen windstillen Tag) Schw.;
vgl. Flass II, 127.
Lien 2 (lin), L i e n j e Sch. 3, 40, Lee n
Lbg. (seit.) f. ,Heine“, „Strick“, „Seil“;
mnd. line. sien Büxen hebbt gwer Nacht op
de L. hungen von einem Krummbeinigen
(Holst. 1840). In den Zwölften geit de Krgft
gwer de L.; s. Krgft. dat geit gwer de L.
weg „geht flott“ Elbm. Von der Pferdeleine:
he fghrt (mit) 4 ut de L. „er fährt vom Bock
aus mit 4 Pferden“, dat güng as mit 4 ut
de L. „sehr flott“ Oh. L. dansen „Seil tan
zen“: dat heet L. dansen, sä de Schinner,
do hung de Deef in de Sngr Holst. 1840.
gwer de L. halen „die Leine seiner Wade
über die Leine der daneben liegenden Wade
ziehen“ Ellerb. Abzählreime: up de Ledder,
up de L., du schasst Peter Pumpass sien
Kiel, ulen dulen Diesseldgrn, de mi kriggt,
de schall mi holen von de Ledder op de L.,
dat schall Kunkellieschen sien Sdtm. — Zs
stzgen : Lien-danser, auch L i n j e n -
(Groth 4, 77. 120) m. „Seiltänzer“ Holst.
1800 (Sch. 1, 205. 3, 40) Neum. Ang. de
L—s kriegt je Boomöl in (um geschmeidig
zu werden) Neum. — p g r d n. „Leitpferd“
Lbg. — t a u n. „dünnes Seil“ Dtm. Eid. dat
rggent L. „es regnet fein“ Eid. — trecker
s. Lien 3 .
Lien 3 (lin) f. „Linie“, „Reihe“, he kann
de L. ni holen „betrunken“ Storm. Marmel
spiel: dree in een L., een dorvun mutt ’t sien
Neum. — Zsstzgen: Lien-holt n. „Li
neal“, früher ziemlich allg., jetzt abst.; vgl.
Linejal. —knüppel m. „Lineal“ Üters.;
vgl. — holt. — Lienjentrecker m.
nach Sch. 3, 40 ,,Linienzieher, die an
Flüssen die Schiffe vom Land aus vorwärts
ziehen“ (vgl. treideln)', gehört doch wohl zu
Lien 2 : „Seilzieher“.
Liep 1 (lib) f. „Lippe“, bes. „Unterlippe“;
vgl. Lipp. he lett de L. hangen „macht ein
betrübtes Gesicht“, „ist verstimmt“, „mault“;
he stellt ’n L. op oder treckt ’n L. „verzieht
das Gesicht zum Weinen“ Holst. 1800 (Sch.
3, 40) Dtm. Wm. Kremp.; vgl. Fliep II, 151.
Liep heißt der schmale Streifen Strandland,
der den „Großen Binnensee“ vor der Ho-
wachter Bucht vom „Haff“ trennt (Oh.). Da
zu: liepen (librp) sw. v. „eine dicke Un
terlippe machen“, „maulen“, „das Gesicht
zum Weinen verziehen“, „ein schiefes Maul
gegen jem. ziehen“, nu liep man ni! Dtm.
Wm. Mh. Dw. Burengespräk (1755): se
kibbelnden sik un liepden sik towielen an
as de Kreih dat kranke Farken (Nd. Jb. 54,
65; vgl. 53, 138). Vgl. Sch. 3, 40. he liept
na mi „schielt nach mir“ Schw. — Zsstzg.:
Liep-ruun m. spöttisch von mürrischen,
mauligen Menschen, die die Unterlippe hän
gen lassen (wie man es bei Pferden häufig
sieht; Ruun ist „Wallach“) Sdtm.