Einleitung.
XV
Zeit seit dem endgültigen Untergang der niederdeutschen Schriftsprache,
also seit etwa 1700 in die Darstellung einbezogen. Die Quellen fließen
zwar für diese Zeit spärlich, doch ist es mit Hülfe der Idiotika, besonders
des umfassenden Werkes von Schütze (1800 bis 1806) möglich, wenigstens
ein annäherndes Bild zu gewinnen. In einzelnen Fällen schien es ge
boten, noch weiter zurückzugehen und zum besseren Verständnis Stellen
aus früheren Jahrhunderten (besonders aus den Schriften von Johann Rist)
heranzuziehen, sodaß der Leser bei manchen Artikeln doch ein beträcht
liches Stück der Entwicklung überschaut. — Die landschaftlichen
Verschiedenheiten in Form, Aussprache und Bedeutung der Wörter
sind, soweit der vorhandene Stoff es irgend ermöglichte, genau gebucht,
um der aufblühenden dialektgeographischen Forschung zu dienen und zur
Lösung der Fragen der Besiedelungsgeschichte beizutragen. Wenn kein
Ort angegeben wird, so ist das Wort oder die Wendung allgemein üblich;
ist er hinzugesetzt, so wird damit zunächst nur gesagt, daß das Wort in der
angeführten Form an dem bezeichneten Orte allgemein üblich ist, ohne daß
damit behauptet werden soll, daß es sich nicht auch anderswo vereinzelt
fände. Solche Unterschiede lassen sich bei der Fülle des Stoffes natürlich
nicht überall einwandfrei feststellen. Oft ist aber ausdrücklich darauf hin
gewiesen, daß ein Wort oder ein Brauch nur in der bezeichneten Gegend
vorkommt. In diesem Falle erfolgt die Mitteilung in der ortsüblichen
Mundart, während für alle allgemein üblichen Wendungen eine Art von
normalholsteinischem Platt gewählt wurde, wie es der Herausgeber zu
sprechen gewohnt ist und wie es z. B. auch auf der von ihm geleiteten
Niederdeutscher Bühne gesprochen wird. — Eine etymologische Er
klärung der Wörter war für diese Ausgabe ursprünglich nicht be
absichtigt, Da sich aber zahlreiche Wünsche grade in dieser Richtung
geltend machten, habe ich sehr bald möglichst auch diese Seite berück
sichtigt, obgleich wir uns dabei auf sehr unsicherem Boden bewegen. Für
manche Wörter versagt heute noch jeder Erklärungsversuch; aber das
Fehlen einer Erklärung oder der ausdrückliche Hinweis auf unser Nicht
wissen wird vielleicht andere anregen, sich auf diesem schwierigen Gebiet
zu versuchen, das man allerdings nicht ohne gründliche sprachgeschicht-
liche Kenntnisse betreten darf. Übrigens ist oft die Erklärung nicht aus
drücklich gegeben, sondern ergibt sich aus der Zusammenstellung mit ver
wandten Wörtern oder durch Hinweis auf sie. Ausgeschlossen von der Er
klärung sind alle Wörter, die dem Plattdeutschen mit dem Hochdeutschen
gemeinsam sind oder deren nahe Verwandtschaft mit hochdeutschen Wör
tern trotz abweichender Lautgestalt auf der Hand liegt. Über diese
Wörter kann man sich in jedem etymologischen Wörterbuch der hoch
deutschen Sprache Rat holen (Kluge, Weigand, Heyne, Bergmann, Wasser
zieher). — Das in der Literatur weit verstreute volkskundliche Ma
terial ist nach Möglichkeit hier vereinigt und aus dem Volksmund er
gänzt. Alles, was an Sitten und Bräuchen bei Volks- und Familienfesten,
an Sagen und Liedern, an Aberglauben, Wetter- und Bauernregeln, Kinder-