Full text: (Erster Band)

XIV 
Einleitung. 
Leserkreis der ursprünglich geplanten Ausgabe wäre naturgemäß klein 
gewesen; vielleicht hätte sie zumeist auf Bibliotheken ein beschauliches 
Dasein geführt. Die Volksausgabe, wie sie nun im Werden ist, kommt in 
viele niederdeutsche Häuser; sie wird von vielen Landsleuten nicht etwa 
bloß zum Nachschlagen benutzt wie sonst wohl Wörterbücher, sondern 
gradezu gelesen, fast Zeile für Zeile, wie zahlreiche Zuschriften und münd 
liche Äußerungen immer wieder betonen. Die Hoffnung, die in der An 
kündigung des Werkes im Dezember 1924 ausgesprochen wurde, daß das 
Buch dazu dienen möge, in schwerer Zeit die Liebe zu der angestammten 
Heimat in weiten Kreisen neu zu beleben und zu festigen, sie hat sich in 
überraschender Weise erfüllt. Es ist für den Herausgeber immer wieder 
eine Herzensfreude zu hören, daß das Buch sich in so manchem Hause 
findet, in das sonst nicht allzuviele Bücher kommen, daß viele jede neue 
Lieferung mit Spannung und Ungeduld erwarten, daß Schleswig-Holsteiner, 
die das Leben weit von der Heimat verschlagen hat, sich in stillen Stunden 
an diesen Blättern erbauen, aus denen ihnen ihre Stammesart rein und stark 
auf jeder Seit3 entgegenströmt. Dabei darf gesagt werden, daß das 
Wörterbuch auch in dieser Form nicht ohne Ertrag für die Wissen 
schaft sein wird. Es ist das erste Wörterbuch, das Sprachschatz und 
Sitte einer niederdeutschen Mundart in solcher Vollständigkeit verarbeitet; 
es erschließt eine Fülle neuen Stoffes, der verschiedenen Zweigen der 
Wissenschaft zu Gute kommt. Für zahlreiche Wörter wird hier zum ersten 
Mal der Versuch gemacht, sie zu erklären und in das Ganze des 
germanischen Sprachschatzes einzureihen; viele Einzelheiten aus dem 
weiten Gebiet der allgemeinen Volkskunde werden durch die Mitteilung 
ähnlicher oder verwandter Erscheinungen in ein neues Licht treten. Das 
Buch wird ein bescheidenes Glied in der Kette der Bestrebungen sein, die 
darauf gerichtet sind, ein Gesamtbild niederdeutscher Kultur und nieder 
deutschen Wesens zu entwerfen. 
2. Grundsätze der Bearbeitung. In der vorliegenden Ausgabe fällt 
das Hauptgewicht auf die Sprache und Sitte, wie sie noch heute gesprochen 
und geübt wird oder in der Erinnerung unserer Alten lebt, also etwa auf 
die Zeit seit 1840. Dieser Zeitraum ist in der Hauptsache auf Grand 
mündlicher Überlieferung dargestellt; doch sind auch solche schrift 
lichen Quellen herangezogen, die unbedenklich als echt plattdeutsch an 
gesprochen werden konnten und die zweifellos echtes volkstümliches Gut 
überliefern, wie etwa, um nur eins zu nennen, Wissers ostholsteinische 
Volksmärchen. Aber der Rahmen mußte doch etwas weiter gespannt 
werden. Grade seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist das Platt 
deutsche einem starken Rückgang ausgesetzt gewesen. Mit dem wach 
senden Verkehr, mit dem Einzug der Industrie in bäuerliche Gegenden, mit 
der Vorherrschaft des Hochdeutschen in Kirche und Schule, in Amtsstube 
und Kaserne sind zahlreiche Wörter und Wendungen verschwunden, zahl 
reiche Bräuche untergegangen. Es schien wichtig, auch diese nach Mög 
lichkeit zu erfassen und der Vergessenheit zu entreißen. So wurde die
	        
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