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allen seinen Unterthanen nicht dasselbe, so kann jenes Ver-
hältniß nicht in der Landeshoheit ~ als welche für alle Un-
terthanen dieselbe ist ~ seinen Grund haben. Ein Geneh-
migungsrecht bei liturgischen Veränderungen in jeder Kirche,
von welcher Confession sie auch seyn mag, wird dem Regenten
nicht abgesprochen, vielmehr zîveifelt Niemand daran, daß es
in der Landeshoheit wesentlich enthalten sey. So ist den
Protestanten in Rußland keine Aenderung ihres Cultus ohne
kaiserliche Genehmigung gestattet. Auf gleiche Weise ist der
Katechismus für die Didöcese Würzburg auf Anordnung
des Bischofs mit Genehmigung des Königs von Baiern
erschienen. Wie verschieden aber die Genehmigung von einer
unmittelbar einwirkenden kirchlichen Gesetzgebung sey, liegt am
Tage. Jene Genehmigung ist ja nichts anders als das Placet
regium, dessen selbst die päbstlichen Verfügungen in katholi-
schen Ländern zu ihrer rechtlichen Gültigkeit bedürfen.
“ Viel Guees enthält auch «in kleiner Aufsatz von Bret-
schneider (eine alte Stimme über das liturgische Recht und
das jus in sacra uberhaupt) in der Zeitschrift: Für Chri-
stenthum und Gotte?zelahrtheit, 8ter Band S. 456
u. f. Nur dürfte die Behauptung niche richtig seyn, daß der
alte Benedict Carpzov bereits den Grundsatz des Territorialsy-
stems adoptirt habe. Die von Bretschneider aus Carpzov ange-
führten Stellen zeigen vielmehr das Gegentheil, wie die Ka-
nonisten denn auch immer Carpzov zu den Verfechtern des
Episcopalsystems zählen. Die Landeshoheit spielt zwar in der
Carpzovischen Theorie auch eine Rolle, aber nur eine unterge-
ordnete. Der Gedankengang bei Carpzov !* temlich dieser:
Geistliche und weltliche Macht sind ihrem Wesen nach durch-
aus getrennt. Das Kirchenregiment der protestantischen Für-
sten ist kein Ausfluß ihrer Landeshoheit, sondern beruht auf
einem besondern Rechtsgrunde. Dieser Rechtsgrund ist der
Passauer Vertrag, welcher die Jurisdiction der katholischen
Bischöfe susspendirte. Die Landesfürstliche Obrigkeit gab den
Regenten die Veranlassung sich die vacante Gerichtsbarkeit
zuzueignen. Eben der Umstand, daß anf den Passauer Ver-
trag so viel ‘Gewicht gelegt wird, ja daß darauf alles an-
kommt, unterscheidet diese Ansicht wesentlich von dem Territo-
riaisystem.
; ?( Churfürstenthume Sachsen war es anerkannter Grund-
sal! und wird es im Königreiche auch jetzt noch seyn, daß die
Landesfürsten durch den Uebergang zur katholischen Kirche die
Episcopalhoheit über die lutherische Kirche verloren hatten.
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