Full text: (1909/10)

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eingestreut als gelegentliche Äußerungen an Stellen, wo sie nur 
derjenige sucht, der sie schon kennt. 
Eine Methodologie der Privatrechtswissenschaft zu schreiben, 
hat er nicht unternommen, obwohl er es vielleicht gekonnt hätte, 
ohne sein geistiges Kapital zu diesem Zwecke wesentlich vermehren 
müssen. Wenn darauf die Rede kam, so antwortete sein feines 
kluges Auge mit einem Leuchten, das mehr Besitzesfreude als 
Schaffensbedürfnis anzeigte. 
Aber in einem Punkte, den ich besonders Ihnen, meine 
Herren Kommilitonen, ans Herz lege, als ein Vermächtnis des Ver 
storbenen, ging er über alles Technische und über alles Kritische 
im großen Stile zusammenfassender Ganzheit hinweg, ein prak 
tisches Ideal der Rechtspflege mit Überzeugungskraft und Pathos 
erstrebend: 
Die Rechtspflege, welche er nach dem Vorbild der Römer 
und befreit von falscher Scholastik wollte, sie war nach seiner 
Überzeugung nur möglich, indem an Stelle der überlieferten falschen 
dogmatischen Schulung eine auf breiter historischer und methodischer 
Bildungsbasis stehende Pflege des juristischen Könnens gesetzt 
würde. Schloßmann hat sich darüber besonders in seiner 
schönen Rektoratsrede vom 5. März 1896: „Bürgerliches Gesetzbuch 
und akademischer Rechtsunterricht“ geäußert. Nicht bloßes Wissen, 
nicht Gewandtheit und Routine, auch nicht ein vages Rechtsgefühl 
verlangte er vom Juristenstand, sondern höchste menschliche Bildung, 
Vertrautheit mit allen Gütern und Aufgaben der menschlichen Kultur, 
divinarum atque humanamm rerum scientia. So nur schien ihm 
die Fähigkeit begründet, Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit in der 
Rechtspflege zur richtigen Anwendung zu bringen, geführt durch 
die Kraft einer constans et perpetua voluntas jus suum cuique 
tribuendi. 
In alle diesem war Schloßmann selbst vorbildlich. Dem 
Kleinen wie dem Großen widmete er gleiches Pflichtgefühl, gleiche 
Sorgfalt. Nichts Menschliches war ihm fremd. Und wer ihm näher 
trat, nahm in jahrzehntelangem Verkehr oft wieder neue Seiten 
seines Wesens wahr, neue Interessen, neue Eigenschaften des Geistes 
und, um das beste zu sagen, des Herzens, — dessen ganzen Wert 
freilich wohl nur ganz wenige kennen lernen durften. 
Sein Andenken wird in Ehren bleiben bei seinen Freunden, 
seinen Kollegen und in den Blättern echter Wissenschaft.
	        
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