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eingestreut als gelegentliche Äußerungen an Stellen, wo sie nur
derjenige sucht, der sie schon kennt.
Eine Methodologie der Privatrechtswissenschaft zu schreiben,
hat er nicht unternommen, obwohl er es vielleicht gekonnt hätte,
ohne sein geistiges Kapital zu diesem Zwecke wesentlich vermehren
müssen. Wenn darauf die Rede kam, so antwortete sein feines
kluges Auge mit einem Leuchten, das mehr Besitzesfreude als
Schaffensbedürfnis anzeigte.
Aber in einem Punkte, den ich besonders Ihnen, meine
Herren Kommilitonen, ans Herz lege, als ein Vermächtnis des Ver
storbenen, ging er über alles Technische und über alles Kritische
im großen Stile zusammenfassender Ganzheit hinweg, ein prak
tisches Ideal der Rechtspflege mit Überzeugungskraft und Pathos
erstrebend:
Die Rechtspflege, welche er nach dem Vorbild der Römer
und befreit von falscher Scholastik wollte, sie war nach seiner
Überzeugung nur möglich, indem an Stelle der überlieferten falschen
dogmatischen Schulung eine auf breiter historischer und methodischer
Bildungsbasis stehende Pflege des juristischen Könnens gesetzt
würde. Schloßmann hat sich darüber besonders in seiner
schönen Rektoratsrede vom 5. März 1896: „Bürgerliches Gesetzbuch
und akademischer Rechtsunterricht“ geäußert. Nicht bloßes Wissen,
nicht Gewandtheit und Routine, auch nicht ein vages Rechtsgefühl
verlangte er vom Juristenstand, sondern höchste menschliche Bildung,
Vertrautheit mit allen Gütern und Aufgaben der menschlichen Kultur,
divinarum atque humanamm rerum scientia. So nur schien ihm
die Fähigkeit begründet, Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit in der
Rechtspflege zur richtigen Anwendung zu bringen, geführt durch
die Kraft einer constans et perpetua voluntas jus suum cuique
tribuendi.
In alle diesem war Schloßmann selbst vorbildlich. Dem
Kleinen wie dem Großen widmete er gleiches Pflichtgefühl, gleiche
Sorgfalt. Nichts Menschliches war ihm fremd. Und wer ihm näher
trat, nahm in jahrzehntelangem Verkehr oft wieder neue Seiten
seines Wesens wahr, neue Interessen, neue Eigenschaften des Geistes
und, um das beste zu sagen, des Herzens, — dessen ganzen Wert
freilich wohl nur ganz wenige kennen lernen durften.
Sein Andenken wird in Ehren bleiben bei seinen Freunden,
seinen Kollegen und in den Blättern echter Wissenschaft.