Full text: (1909/10)

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beiden Hauptwerken, Vertrag und Stellvertretung, geführten 
Kampf gegen das Willensdogma recht hat, daß er damit den 
Finger nicht auf einen beliebigen wunden Punkt, sondern auf eine 
charakteristische und wesentliche Krankheitsäußerung unserer Zivil 
rechtslehre gelegt hat, daß er sich mit dem Hinweis auf die 
Notwendigkeit freierer, mehr individualisierender und den wirtschaft 
lichen und sozialen Zusammenhängen nachspürender Zivilrechts 
wissenschaft ein Verdienst erworben hat, welches nicht dadurch 
gemindert wird, daß einzelne Vorgänger etwas Ähnliches angedeutet 
haben und daß inzwischen Nationalökonomen, Soziologen und 
Sozialpolitiker, im Verein mit juristischen Philosophen und Prak 
tikern das Artilleriegefecht gegen denselben Feind eröffnet 
haben, während der Romanist Schloßmann geraume Zeit vor 
Eröffnung der schweren Bataille und abseits des Hauptfeldes 
auf seine Art und mit eigener Frontstellung selbständig ge- 
plänkelt hat. 
Man kann sagen: Schloßmann hat als Freischärler gekämpft- 
Er hat sich nicht auf Vorläufer und nicht auf Mitkämpfer gestützt. 
Das hängt mit seiner persönlichen, ich möchte sagen monolo 
gisierenden Eigenart aufs engste zusammen. Sein Wesen waf 
dem Anschluß abgeneigt. Des Mitteilens weder als Geber noch 
als Nehmer bedürftig, folgte er selbstbewußt der eigenen Gedanken 
initiative. Nicht geneigt, den Gedanken Anderer Anerkennung oder 
gar Bewunderung zu zollen, bezog er sich auf verwandte Geistes 
arbeit mehr, um der Übereinstimmung sich zu freuen, als um Hilfe 
und Verstärkung zu gewinnen. Ganz ferne lag es ihm, praktische 
Propaganda für seine wissenschaftlichen Ideale zu machen. Die 
naheliegende Verbindung mit der großen soziologischen und 
sozialpolitischen Bewegung der Gegenwart hat er nicht gesucht. 
Schloßmann hat sich erst in den letzten Jahren seines Lebens 
den Begriff der Rechtspolitik angeeignet und hat nie ein Rechts 
politiker sein wollen. Er bekämpfte nur die juristische Dogmatik 
und Technik von heute und zwar mit ihren eigenen Mitteln- 
Seine Waffen waren juristisch-technischer, nicht soziologischer Art. 
Und dann noch eines. Schloßmann ist an die ihn schließlich am 
meisten interessierenden methodologischen Probleme herange 
kommen auf dem Wege der Untersuchung eng umgrenzter technisch 
juristischer Fragen. Die Methodenfragen traten in seinen Gesichts 
kreis als Inzidentfragen seiner Spezialuntersuchungen. Seine zahl 
reichen bedeutenden methodologischen Darlegungen finden sich
	        
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