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bei vielen Operationen gefährdende, schwere Verluste an Blut.
Unnötigen Verlust, wie Esmarch mit Kummer sagte und empfand,
der mit der Schwere des Eingriffs oft in keinem Verhältnisse stand.
Diesen Übelstand bei einer großen Zahl von Operationen zu
beseitigen und dadurch lebensgefährliche Eingriffe zu erleichtern
resp. zu ermöglichen, hat nun Esmarch uns gelehrt durch die
berühmte Methode der künstlichen Blutleere. 1873 teilte
er sie auf dem Chirurgenkongreß mit. Er zeigte, daß es möglich
ist, durch Umschnüren mit einem Gummischlauch das strömende
Blut von dem zu operierenden Gliede abzusperren, und noch mehr,
daß man vorher durch fortlaufende Umwickelung mit Gummibinden
das Blut in den Körper zurückdrücken kann, so daß man tatsächlich
fast blutleer operiert. Hatte man früher durch Anwendung von
Tourniquets, Pelotten und Digitalkompression einzelner großer
Arterien schon ähnliche Resultate angestrebt, so hat uns erst Esmarch
mit dieser Methode die in seiner Klinik gefunden und von ihm
ausgebildet wurde, ein sicheres und gefahrloses, besonders bei
Extremitätenoperationen anzuwendendes Verfahren geschenkt. Die
neue Kunst verbreitete sich alsbald mit ähnlicher Geschwindigkeit
über die ganze Welt, wie einstens die Narkose, um nie wieder ver
gessen zu werden und auch kommenden Geschlechtern Esmarchs
Namen zu überliefern. Übrigens ist die Absperrung des zuströmenden
Blutes so einfach und allgemein verständlich, daß sie auch in
Laienkreisen bekannt, vielfach mit lebensrettendem Erfolg bei Ver
blutungsgefahr angewandt worden ist. Im Laufe der Jahre hat
Esmarch das Verfahren immer zweckmäßiger und einfacher gestaltet
und hat die große Freude erlebt, daß eine Reihe wichtiger neuer
Behandlungsmethoden die Stauung, die Autotransfusion und vielfache
technische Kunstgriffe ihren Ausgangspunkt von der Blutleere
genommen haben.
Esmarch hat auch noch auf manchen anderen, für die Chirurgie
hochwichtigen Gebieten eifrig mitgearbeitet und fördernd gewirkt.
Zu dem Problem der Entwickelung des Carcinoms, seiner Erkennung
und Bekämpfung, lieferte er wertvolle Beiträge. Er betonte immer
wieder, wie ausschlaggebend für den Erfolg einer Operation die
frühzeitige Diagnose des Leidens ist, und in seinen Vorträgen unter
dem Titel „Principiis obsta“ mahnte er eindringlich, nichts auf
zuschieben, sondern den Leiden bei Beginn ihrer Entwickelung
energisch entgegenzutreten, was nicht bloß für die bösartigen
Geschwülste, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Krankheiten
zu gelten habe.