Full text: (1908/09)

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schränkt und verliefen unter den unsagbarsten Qualen der unglück 
lichen Kranken. Im Jahre 1846, in dem Esmarch bei Langenbeck 
Assistent wurde, kam die Kenntnis der Äthernarkose aus Amerika, 
1847 die Chloroforrnnarkose aus England wie eine frohe Botschaft 
über das Meer! „Wer das nicht miterlebt hat“, sagte Esmarch, 
„kann sich keine Vorstellung machen von der Begeisterung, welche 
überall die Ärzte ergriff, und von dem reichen Segen, der den 
Kranken aus dieser Entdeckung ersproß.“ Esmarch hat schon im 
ersten schleswig-holsteinischen Kriege von der Schmerzbetäubung 
reichlichen Gebrauch gemacht und hat auch später noch den Nar- 
kotisierungsmethoden sein regstes Interesse gewidmet. Er hat das 
Instrumentarium vereinfacht und sehr zweckmäßig gestaltet, auch 
einen Handgriff angegeben, welcher es jedem leicht gestaltet, gewissen 
gefährlichen Nebenwirkungen der Narkose sicher vorzubeugen. 
War durch die Einführung der allgemeinen Anästhesie ein 
gewaltiger Schritt schnell vorwärts getan, so blieben doch die Er 
folge der operativen Chirurgie, deren Gebiet durch diese Fort 
schritte naturgemäß erheblich erweitert worden war, meist schlechte, 
zum mindesten unsichere. Wir müssen annehmen, daß dieses 
Stadium chirurgischer Entwickelung ein um so schwereres und 
deprimierenderes für die Operateure gewesen ist, als die Wünsche 
zu helfen und die Ideen zu neuen Operationsmethoden, unterstützt 
durch die Anästhesie, immer reger wurden. Aus den Mitteilungen 
der bedeutendsten Chirurgen klingen in dieser Zeit Resignation 
und Verzweiflung. Immer und immer wieder sahen sie sich 
machtlos im Kampf gegen die geheimnisvollen Wundkrankheiten, 
welche die Verletzten und die Operierten bedrohten. Aus dieser 
Zeit stammt Pirogoffs Schrift über „Das Glück in der Chirurgie“. 
Resigniert schlägt er, der geniale Chirurg, das Gelingen einer 
Operation als das Werk des Zufalls an, Methode und Technik des 
Operateurs gelten ihm nichts, ohnmächtig steht er dem Verlauf des 
Eingriffs gegenüber. In Nußbaums Klinik wurden 80% aller 
Wunden vom Hospitalbrand befallen, einer mörderischen Wund 
krankheit, die man heutzutage überhaupt nie mehr sieht. Wegen 
der Pyämie und Wundrose wollte Volkmann die Hallenser Klinik 
schließen. Er legte für einige Zeit die Messer weg, von denen auch 
Billroth bitter sagt, es käme ihm vor, als ob sie vergiftet seien. 
Er konnte die Verantwortung schier nicht mehr ertragen, die Kranken 
durch seine Operationen so schweren Gefahren auszusetzen. Auch 
Esmarch hat solche bösen Zeiten durchgemacht. In einem Lazarett
	        
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