Full text: (1908/09)

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über das Wesen der Wundinfektion und über deren 
Verhütung. 
Noch mehr gefürchtet als die Schußverletzungen der Knochen 
waren die der Gelenke; bei ihnen war die Amputation des Gliedes 
fast allgemein anerkannt. Esmarchs Lehrer, Bernhard von Langenbeck, 
stand mit voller Energie und seinem genialen, chirurgischen Ver 
mögen auf der Seite der konservierenden Methoden, und schärfer 
und vielleicht noch konsequenter als er, Strohmeyer. So kam es, 
daß Esmarch gleich zu Beginn seiner Laufbahn in die richtigen 
Wege geleitet, seine berühmten, weithin bekannten Beobachtungen 
über Resektionen nach Schußwunden machen konnte. An Stelle der 
Amputation sollte in geeigneten Fällen die Resektion, die Aus 
schneidung der zertrümmerten Knochenteile mit Erhaltung der 
Extremität, treten. Am meisten aber setzte die chirurgische Welt 
in Erstaunen, daß es in den schleswig-holsteinischen Kriegen in 
einer großen Reihe von Fällen gelungen war, auch die gefürchteten 
Gelenkschüsse statt durch Amputation durch Resektion zur Heilung, 
und sogar zur Heilung mit guter Funktion des Gelenkes zu bringen. 
Das waren gewaltige Fortschritte, die weithin Aufsehen erregten 
und im Krimkrieg von Engländern und Russen mit gutem Erfolg 
nachgeahmt wurden. 
In der eben erwähnten Schrift zeigt sich an vielen Stellen, 
wie fest Esmarchs Blick schon in jungen Jahren auf das Einfache 
und Praktische gerichtet war, und wir finden in ihr Bemerkungen 
und Schlußfolgerungen, welche der konservativen Wundbehandlung 
späterer Jahrzehnte entsprechen: Die Knochensplitter brauchen nicht, 
wie dieses früher üblich war, aus jeder Wunde herausgeholt zu 
werden. Ein durch die Kugel zerschmetterter Knochen kann ohne 
jeden operativen Eingriff heilen. Der Transport der Verwundeten 
ist von großer Gefahr, wenn das verletzte Glied nicht vorher voll 
ständig inmobilisiert ist, und derartiges mehr: Das waren große 
Erkenntnisse für die damalige Zeit, und sie weisen uns die Richtung, 
in der Esmarch sich später weiterentwickelte. Wie wenige andere 
hat Esmarch kennen gelernt, woran das Wohl und Wehe der Ver 
letzten wie der Ärzte, auf dem Schlachtfelde und in den Lazaretten, 
hängt, und es ist äußerst charakteristisch, wie er später mit seinem 
praktischen, schnell organisierenden Verstände die Maßnahmen des 
Sanitätswesens bis ins Detail verfolgte und zweckmäßig umzuändern 
bestrebt war. In seinen Schriften über „Verbandplatz und Feld 
lazarett“, über die „Reservelazarette“, über den „ersten Verband
	        
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