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über das Wesen der Wundinfektion und über deren
Verhütung.
Noch mehr gefürchtet als die Schußverletzungen der Knochen
waren die der Gelenke; bei ihnen war die Amputation des Gliedes
fast allgemein anerkannt. Esmarchs Lehrer, Bernhard von Langenbeck,
stand mit voller Energie und seinem genialen, chirurgischen Ver
mögen auf der Seite der konservierenden Methoden, und schärfer
und vielleicht noch konsequenter als er, Strohmeyer. So kam es,
daß Esmarch gleich zu Beginn seiner Laufbahn in die richtigen
Wege geleitet, seine berühmten, weithin bekannten Beobachtungen
über Resektionen nach Schußwunden machen konnte. An Stelle der
Amputation sollte in geeigneten Fällen die Resektion, die Aus
schneidung der zertrümmerten Knochenteile mit Erhaltung der
Extremität, treten. Am meisten aber setzte die chirurgische Welt
in Erstaunen, daß es in den schleswig-holsteinischen Kriegen in
einer großen Reihe von Fällen gelungen war, auch die gefürchteten
Gelenkschüsse statt durch Amputation durch Resektion zur Heilung,
und sogar zur Heilung mit guter Funktion des Gelenkes zu bringen.
Das waren gewaltige Fortschritte, die weithin Aufsehen erregten
und im Krimkrieg von Engländern und Russen mit gutem Erfolg
nachgeahmt wurden.
In der eben erwähnten Schrift zeigt sich an vielen Stellen,
wie fest Esmarchs Blick schon in jungen Jahren auf das Einfache
und Praktische gerichtet war, und wir finden in ihr Bemerkungen
und Schlußfolgerungen, welche der konservativen Wundbehandlung
späterer Jahrzehnte entsprechen: Die Knochensplitter brauchen nicht,
wie dieses früher üblich war, aus jeder Wunde herausgeholt zu
werden. Ein durch die Kugel zerschmetterter Knochen kann ohne
jeden operativen Eingriff heilen. Der Transport der Verwundeten
ist von großer Gefahr, wenn das verletzte Glied nicht vorher voll
ständig inmobilisiert ist, und derartiges mehr: Das waren große
Erkenntnisse für die damalige Zeit, und sie weisen uns die Richtung,
in der Esmarch sich später weiterentwickelte. Wie wenige andere
hat Esmarch kennen gelernt, woran das Wohl und Wehe der Ver
letzten wie der Ärzte, auf dem Schlachtfelde und in den Lazaretten,
hängt, und es ist äußerst charakteristisch, wie er später mit seinem
praktischen, schnell organisierenden Verstände die Maßnahmen des
Sanitätswesens bis ins Detail verfolgte und zweckmäßig umzuändern
bestrebt war. In seinen Schriften über „Verbandplatz und Feld
lazarett“, über die „Reservelazarette“, über den „ersten Verband