76
weiteren zusammenhängt, auch das Samariterwerk, stammen aus
dieser Zeit.
Um Esmarchs Bedeutung als Kriegschirurg einigermaßen
beurteilen zu können, müssen wir den Stand der Anschauungen und
Behandlungsmethoden der damaligen Zeit kennen lernen.
Als der jugendliche Esmarch im Jahre 1848 mit dem Kieler
Studentenkorps in den Krieg hinauszog, war die Behandlung der
Schußverletzungen noch keineswegs eine einheitliche. Und doch
ist es, wenn irgendwo in der Chirurgie, gerade im Felde durchaus
notwendig, nach erprobten, feststehenden Methoden handeln zu
können, denn bei der erdrückenden Menge der Verwundeten, der
kurzen Zeit, in der das Material bewältigt werden muß und der
relativen Gleichförmigkeit der Verletzungen, soll der Chirurg nicht
lange überlegen und individualisieren müssen. Speziell bei der
Behandlung der Knochenschußverletzungen standen sich die mehr
konservierende und die radikale, d. h. amputierende Methode, schroff
gegenüber. Unter Larreys, des berühmten napoleonischen Leib
chirurgen, Autorität, dessen Erfahrung aus 25 Feldzügen, 60 großen
Schlachten und mehr als 400 Gefechten stammte, hatte die Behandlung
der Verletzungen der Extremitäten einen mehr schonenden Charakter
angenommen. Aber dieser günstige Einfluß ging allmählich wieder
verloren, wohl hauptsächlich durch den berühmten Pariser Chirurgen
und Kliniker Dupuytren. Unerschütterlich stand diesem, nach
reichen kriegschirurgischen Erfahrungen, fest, daß man durch Unter
lassen der Amputationen mehr Individuen verliere, als Glieder erhalte.
Auch Pirogoff amputierte 1847 noch bei fast allen Schußfrakturen.
Er, und mit ihm die größte Zahl der anerkannten Chirurgen, war
überzeugt, auf diese Weise die fast regelmäßig von der Wunde
ausgehende Allgemeininfektion am ehesten verhindern zu können.
Es fehlte dieser Anschauung nicht an Gegnern, aber immer wieder
mußten diese die schmerzlichsten und überraschendsten Mißerfolge
bei ihrer konservativen Behandlung erleben.
Uns, die wir die Ursachen der Wundinfektion kennen, ist es
klar, mit welchen unendlichen Schwierigkeiten die Chirurgie, und
speziell die Kriegschirurgie früherer Zeiten, zu kämpfen hatte: In
ein unentwirrbares Knäuel unsichtbarer, ätiologischer Verbindungen
waren die großen Beobachtungsreihen der verschiedenen Chirurgen
verstrickt. Die Statistiken entbehrten der notwendigen gleich
artigen Unterlage. Ein undurchdringlicher Schleier war
gebreitet über die Ursachen der Erfolge und Mißerfolge,