Full text: (1908/09)

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weiteren zusammenhängt, auch das Samariterwerk, stammen aus 
dieser Zeit. 
Um Esmarchs Bedeutung als Kriegschirurg einigermaßen 
beurteilen zu können, müssen wir den Stand der Anschauungen und 
Behandlungsmethoden der damaligen Zeit kennen lernen. 
Als der jugendliche Esmarch im Jahre 1848 mit dem Kieler 
Studentenkorps in den Krieg hinauszog, war die Behandlung der 
Schußverletzungen noch keineswegs eine einheitliche. Und doch 
ist es, wenn irgendwo in der Chirurgie, gerade im Felde durchaus 
notwendig, nach erprobten, feststehenden Methoden handeln zu 
können, denn bei der erdrückenden Menge der Verwundeten, der 
kurzen Zeit, in der das Material bewältigt werden muß und der 
relativen Gleichförmigkeit der Verletzungen, soll der Chirurg nicht 
lange überlegen und individualisieren müssen. Speziell bei der 
Behandlung der Knochenschußverletzungen standen sich die mehr 
konservierende und die radikale, d. h. amputierende Methode, schroff 
gegenüber. Unter Larreys, des berühmten napoleonischen Leib 
chirurgen, Autorität, dessen Erfahrung aus 25 Feldzügen, 60 großen 
Schlachten und mehr als 400 Gefechten stammte, hatte die Behandlung 
der Verletzungen der Extremitäten einen mehr schonenden Charakter 
angenommen. Aber dieser günstige Einfluß ging allmählich wieder 
verloren, wohl hauptsächlich durch den berühmten Pariser Chirurgen 
und Kliniker Dupuytren. Unerschütterlich stand diesem, nach 
reichen kriegschirurgischen Erfahrungen, fest, daß man durch Unter 
lassen der Amputationen mehr Individuen verliere, als Glieder erhalte. 
Auch Pirogoff amputierte 1847 noch bei fast allen Schußfrakturen. 
Er, und mit ihm die größte Zahl der anerkannten Chirurgen, war 
überzeugt, auf diese Weise die fast regelmäßig von der Wunde 
ausgehende Allgemeininfektion am ehesten verhindern zu können. 
Es fehlte dieser Anschauung nicht an Gegnern, aber immer wieder 
mußten diese die schmerzlichsten und überraschendsten Mißerfolge 
bei ihrer konservativen Behandlung erleben. 
Uns, die wir die Ursachen der Wundinfektion kennen, ist es 
klar, mit welchen unendlichen Schwierigkeiten die Chirurgie, und 
speziell die Kriegschirurgie früherer Zeiten, zu kämpfen hatte: In 
ein unentwirrbares Knäuel unsichtbarer, ätiologischer Verbindungen 
waren die großen Beobachtungsreihen der verschiedenen Chirurgen 
verstrickt. Die Statistiken entbehrten der notwendigen gleich 
artigen Unterlage. Ein undurchdringlicher Schleier war 
gebreitet über die Ursachen der Erfolge und Mißerfolge,
	        
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