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welche Schüler dem Lehrer, Freunde dem Menschen, Patienten dem
Arzte Esmarch gezollt haben. Ich will lieber davon sprechen, was
er meiner Wissenschaft, der Chirurgie, gewesen ist: Wir wollen
den Namen des Forschers Esmarch aufschlagen im Buche der
Geschichte der Chirurgie und wir werden ihn dort finden. Denn es
gibt kaum eine Wendung, kaum eine große Neuerung in dieser so
kurzen und ereignisreichen Geschichte, an der er nicht mitgearbeitet
und in irgend einer Weise teilgenommen hätte. Nicht dem
Menschen, nicht dem Arzte gönnt die strenge Wissenschaft langes
Andenken, sondern dem Forscher: mit seinen Taten und Ideen
gräbt er selbst seinen Namen in ihre Tafeln ein!
Esmarchs chirurgische Laufbahn begann unter glücklichen
Auspizien.
Wie für die anderen medizinischen Wissenschaften, so be
deutet auch für die Chirurgie die Mitte des vorigen Jahrhunderts
einen entscheidenden Wendepunkt und hat ihr einen mächtigen
Aufschwung gebracht, welcher besonders tief empfunden werden
mußte, da die Chirurgie früher als ein unehrlich Gewerbe verfehmt
und verachtet gewesen und von medizinisch und akademisch ge
bildeten Ärzten kaum ausgeübt worden war. Zwar wurde sie später
als Unterrichtsgegenstand in die medizinische Fakultät aufgenommen,
aber die praktische Chirurgie blieb noch lange mißachtet und trat
weit in den Hintergrund gegen ihre geehrte und gelehrte Schwester,
die interne Medizin. Fördernd auf die Chirurgie wirkte besonders
die neue naturwissenschaftliche Denkweise, welche mit den erstarrten
traditionellen Anschauungen aufräumte; fördernd wirkte auch der
Ausbau der Pathologie und Physiologie und der anderen medizinischen
Wissenschaften. Der eigentliche Aufschwung aber kam durch einige
wichtige Entdeckungen, die aus der Chirurgie erst das gemacht
haben, was wir heute darunter verstehen: Narkose und antiseptische
Wundbehandlung. In diese Jahrzehnte kräftiger Entwickelung und
ungeahnten Aufschwunges fallen Esmarchs Jugend- und Mannes
jahre. Ihm ist es vergönnt gewesen, die moderne Chirurgie von
ihren ersten Anfängen an bis zu ihrer jetzigen Höhe mit zu erleben,
und nicht nur mit zu erleben, sondern auch mit zu schaffen und
mit zu fördern.
Bernhard von Langenbeck, der größte deutsche Chirurg
des vorigen Jahrhunderts, wurde hier in Kiel sein erster Lehrer. Mit
dem ihm eigenen scharfen Menschenblick erkannte dieser sofort
die große Befähigung seines Schülers und erwählte 1846 ihn, den