Die noch aus dänischer Zeit übernommene Anatomie verdankte wohl
dem Fleiß ihrer früheren Leiter und Prosektoren eine in vielen
Beziehungen gute Sammlung makro- und mikroskopischer Präparate,
aber das Gebäude war klein und alt, jedenfalls für eine sehr geringe
Studentenzahl berechnet. Noch während Kupffer als Anatom in
Kiel residierte, war die Errichtung eines neuen Anatomiegebäudes
an der jetzigen Stelle in Angriff genommen, mit Berücksichtigung
der sehr geringen Frequenz der Studierenden aber in kleinen und,
wie sich später ergeben sollte, ganz unzureichenden Dimensionen
geplant, denen Flemming seine Zustimmung zu geben, sich ge
drängt fühlte. Zunächst trat er seine amtliche Tätigkeit in Kiel
demnach nicht unter den günstigsten Verhältnissen an, in dem alten
Institute, ohne Assistenten, sehr in Anspruch genommen durch den
Ausbau und die Einrichtung des neuen, hübschen, aber gar kleinen
anatomischen Instituts, und fühlte sich an der Fortführung seiner
wissenschaftlichen Arbeiten dadurch ungemein behindert.
Am Ende des Winters 1879/80 konnte dann das neue Institut
bezogen werden. Hier setzte Flemming seine Wirksamkeit anfangs
mit wenigen Zuhörern, aber bald mit solchem Erfolge fort, daß das
anatomische Institut die Menge derselben nicht zu fassen vermochte,
und mehrfach Erweiterungen des Instituts vorgenommen werden
mußten.
Flemming’s Vortrag im Kolleg war immer sehr gut dis
poniert, wurde schlicht, sachlich gehalten; durch geschickt, oft
kunstvoll entworfene Zeichnungen sowie sorgfältigst vorbereitete
Demonstrationen veranschaulicht und erfreute sich begeisterter
Anerkennung. Die Reinheit und Vornehmheit seines Wesens, die
ungemeine Herzensgüte, deren Äußerungen von dem feinsten
Taktgefühl geleitet wurden, zeigten sich bei jeder Gelegenheit und
haben ihm eine ganz exzeptionelle Verehrung und Dankbarkeit
aller seiner Schüler eingetragen, die ihm persönlich vielfach in
Übungen oder im Privatleben näher zu treten Gelegenheit fanden
und nach Jahrzehnten noch ihm Beweise ihrer Anhänglichkeit
widmeten.
In literarischer Hinsicht hat Flemming eine das gewöhnliche
Maß weit überschreitende Tätigkeit entfaltet. Die meisten seiner
Schriften berichten über subtile grundlegende Forschungen im Gebiete
feinster Zellstrukturen. Nur wenige verfolgen andere Zwecke. Durch
eine von diesen letztem ist er auf Grund seiner Erkenntnis, daß
Physik, Chemie, Mathematik für das Verständnis der Biologie die