Full text: (1905/06)

Die noch aus dänischer Zeit übernommene Anatomie verdankte wohl 
dem Fleiß ihrer früheren Leiter und Prosektoren eine in vielen 
Beziehungen gute Sammlung makro- und mikroskopischer Präparate, 
aber das Gebäude war klein und alt, jedenfalls für eine sehr geringe 
Studentenzahl berechnet. Noch während Kupffer als Anatom in 
Kiel residierte, war die Errichtung eines neuen Anatomiegebäudes 
an der jetzigen Stelle in Angriff genommen, mit Berücksichtigung 
der sehr geringen Frequenz der Studierenden aber in kleinen und, 
wie sich später ergeben sollte, ganz unzureichenden Dimensionen 
geplant, denen Flemming seine Zustimmung zu geben, sich ge 
drängt fühlte. Zunächst trat er seine amtliche Tätigkeit in Kiel 
demnach nicht unter den günstigsten Verhältnissen an, in dem alten 
Institute, ohne Assistenten, sehr in Anspruch genommen durch den 
Ausbau und die Einrichtung des neuen, hübschen, aber gar kleinen 
anatomischen Instituts, und fühlte sich an der Fortführung seiner 
wissenschaftlichen Arbeiten dadurch ungemein behindert. 
Am Ende des Winters 1879/80 konnte dann das neue Institut 
bezogen werden. Hier setzte Flemming seine Wirksamkeit anfangs 
mit wenigen Zuhörern, aber bald mit solchem Erfolge fort, daß das 
anatomische Institut die Menge derselben nicht zu fassen vermochte, 
und mehrfach Erweiterungen des Instituts vorgenommen werden 
mußten. 
Flemming’s Vortrag im Kolleg war immer sehr gut dis 
poniert, wurde schlicht, sachlich gehalten; durch geschickt, oft 
kunstvoll entworfene Zeichnungen sowie sorgfältigst vorbereitete 
Demonstrationen veranschaulicht und erfreute sich begeisterter 
Anerkennung. Die Reinheit und Vornehmheit seines Wesens, die 
ungemeine Herzensgüte, deren Äußerungen von dem feinsten 
Taktgefühl geleitet wurden, zeigten sich bei jeder Gelegenheit und 
haben ihm eine ganz exzeptionelle Verehrung und Dankbarkeit 
aller seiner Schüler eingetragen, die ihm persönlich vielfach in 
Übungen oder im Privatleben näher zu treten Gelegenheit fanden 
und nach Jahrzehnten noch ihm Beweise ihrer Anhänglichkeit 
widmeten. 
In literarischer Hinsicht hat Flemming eine das gewöhnliche 
Maß weit überschreitende Tätigkeit entfaltet. Die meisten seiner 
Schriften berichten über subtile grundlegende Forschungen im Gebiete 
feinster Zellstrukturen. Nur wenige verfolgen andere Zwecke. Durch 
eine von diesen letztem ist er auf Grund seiner Erkenntnis, daß 
Physik, Chemie, Mathematik für das Verständnis der Biologie die
	        
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