Full text: (1902/1903)

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orientiert, vertrat er seine Meinung maßvoll, aber entschieden, und 
fast immer traf er das richtige. Seine Darstellung war nicht nur 
klar, sondern auch frisch und fesselnd, da er den Gegenstand 
nicht einfach referierte, sondern innerlich verarbeitete und Freude 
an Darstellung und Lehren hatte. 
Der Staat hat in erster Linie praktische Zwecke, auch bei der 
Einrichtung der Universitäten; wenn die Lehrer zur Vertiefung, zur 
Theorie, zum Studium geführt werden, so erkennt gerade in 
Deutschland der Staat die Bedeutung auch dieser Richtung für 
seine eigenen Zwecke, er würdigt die gegenseitige Befruchtung von 
Theorie und Praxis und läßt den Universitätslehrer beide Richtungen 
vertreten; bei dem einzelnen tritt nach Fach, nach Umständen, nach 
Persönlichkeit bald die eine bald die andere Seite mehr in den 
Vordergrund. Leitet nun die Medizin überhaupt schon mehr zur 
Praxis hinüber, so waren für Bockendahl solche Beziehungen durch 
die Umstände in besonderem Maße gegeben. Hätte er sich als 
junger Arzt von vornherein dauernd der Universität angeschlossen, 
so würde er sich wahrscheinlich vorwiegend als Lehrer und Forscher 
entwickelt haben. Aber die politischen Verhältnisse der Heimat in 
seinen Studienjahren lenkten Kräfte und Sinn auf das Gemeinwohl, 
und die Bedürfnisse des eigenen Herdes verwiesen ihn auf ärztliche 
Praxis. Diese Umstände entwickelten seine Persönlichkeit und 
bestimmten seine Richtung. 
Durch Kenntnisse, Liebenswürdigkeit und Geradheit in der 
Praxis erfolgreich, fand er in ihr den Sporn zur eigenen Fortbildung 
ünd den Antrieb zur Überlegung, wo die staatliche Fürsorge für 
Gesundheitsverhältnisse einzugreifen habe. Das führte ihn zur 
Staatsmedizin, die er als Lehrer wie als Beamter vertrat. So 
wirkte er in dreifacher Weise, die eine Seite seiner Tätigkeit durch 
die andere stützend und ergänzend. Die Lehrtätigkeit und der 
Persönliche Verkehr mit der Universität hielten ihn in Verbindung 
mit den Fortschritten der wissenschaftlichen Medizin; das Amt 
gab ihm Gelegenheit, diese sowie die Erfahrungen der ärztlichen 
Praxis in der Staatsverwaltung zu verwerten; niemals hätte er 
Beamter nur am grünen Tisch sein können. 
Bedarf der Lehrer der Staatsmedizin besonders umfassender 
Kenntnisse in allen Gebieten der Medizin, so bedarf der Medizinal 
beamte dazu noch des richtigen Urteils, der Kenntnis der Menschen 
und der Verhältnisse; beides stand Bockendahl zu Gebote. Diese 
Vereinigung von Fähigkeiten ermöglichte es, daß er so mannigfach
	        
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