Menschheit als des Weiblichen umfassender Zweck. Ob Nitzsch hiermit
Anklang gefunden hat, ist mir nicht bekannt
Wie sehr er an dem Aufschwung der idealen Lebensherrlichkeit
unseres Volkes in dieser reich gesegneten Zeit nach der Erfüllung der
nationalen Hoffnungen beteiligt war, ein treuer, ebenso nationaler als
liberaler Anhänger der national-liberalen Bürgerpartei, das zeigt ein
schwungvoller Aufsatz in „Nord und Süd“ von 1893: „Zur Geschichte
der Entwickelung des deutschen Nationalbewusstseins, besonders im
achtzehnten Jahrhundert.“ Indem er uns Klopstocks, Herders, Goethes,
Schillers, Friedrich des Grossen Stellungnahme zur nationalen Idee vorüber
führt, schliesst er mit einem aus Sybel und Treitschke geschöpften Hymnus
auf die Begründung des Reichs, dessen Schluss für seine gesammte
politische Auffassung bezeichnend ist: „Bismarck verbündete sich mit
dem nationalen Liberalismus, erkannte den Hauptschaden im deutschen
Dualismus und setzte an die Stelle des immer wieder auflebenden, form
losen und halbromantischen Idealismus eine im eminenten Sinne praktische
Politik.... Blut wurde ein guter Kitt und so stark auch die Reste des
Partikularismus, des abstrakten Liberalismus und des ultramontanen
Kosmopolitismus in unserem Vaterlande noch sein mögen, das deutsche
Reich und das deutsche Kaisertum — sie werden sich mit Gottes Hülfe
behaupten, sollte ihnen auch ein harter Verteidigungskampf bevorstehen.“
So trieb denn Nitzsch, lange Jahre als Vorsitzender des Kieler Zweig
vereins, mit treuer Hingabe das Werk des Gustav Adolf-Vereins als
ein ebensogut deutsches als protestantisches, versagte sich aber all’ den
neueren christlich- und national-socialen Bestrebungen, vor deren mangel
hafter technisch-ökonomischer Substruction er ein ebenso instinktives
Grauen hatte, als ihm bangte vor der Verwirrung der christlich-sittlichen
Ideale mit den materiellen, diesseitig-chiliastischen Zielen der Arbeiter
bewegungen.
Zeigt sich in allem Bisherigen ein acht deutscher, an unsern Klassikern
- und nationalen Historikern genährter, den erst in cjer letzten Generation
lebendig gewordenen Fragen des deutschen Lebens fremder, ethischer
Idealismus, so vollendet sich dieser Eindruck in der runden Ablehnung,
die er der „Weltanschauung Fr. Nietzsches“ zu Teil werden Hess. Es
fehlt ihm für diesen „Anarchisten im Schlafrock und Pantoffeln“, für
diesen „fanatischen Aristokraten“, für dies Pendant des christlichen
Socialismus alle Sympathie, geschweige Congenialität. Dass er trotzdem
an ihn herantritt, rechtfertigt er folgendermassen: „Jeder Vertreter der
Wissenschaft, auch der Ethiker, fühlt sich verpflichtet, neuen literarischen
Erscheinungen, die in sein Fach einschlagen und wissenschaftlich geartet
sind, Beachtung zu schenken. Nun tritt aber jederzeit eine Anzahl von
Schriften auf, die zwischen den eigentlich wissenschaftlichen und den