Full text: (1898/99)

Anhang. 
Rede bei der Begräbnisfeier 
für 
Konsistorialrat Professor Dr. F. Nitzsch 
in der Aula der Universität 
gehalten von 
Professor Dr. O. Baumgarten 
Trauernde Versammlung! 
Am 21. Dezember morgens ist unserer Hochschule eines ihrer 
ältesten Glieder nach langem Leiden durch einen sanften Tod entrissen 
worden. Bevor wir ihm von dieser Stätte aus das letzte Geleit geben, ver 
gegenwärtigen wir uns sein geistiges Bild und geloben ihm dankbare 
Treue. Wir stellen aber sein Lebensbild unter ein Wort der Schrift, das 
für uns dadurch neue Bedeutung gewonnen hat: i. Cor. 4, 1.2: 
„Dafür halte uns jedermann, für Christi Diener und Haushalter 
über Gottes Geheimnisse. Nun suchet man nicht mehr an die Haus 
haltern, denn dass sie treu erfunden werden.“ 
Friedrich August Berthold Nitzsch war sich bewusst, ein reiches 
Vätererbe erhalten zu haben, um damit zu haushalten. Es war das 
Erbe einer alten edlen deutsch-evangelischen Gelehrtenfamilie. Einer 
seiner Ahnen, Kanzler der Universität Giessen, Friedrich Nitzsch, erwarb 
sich den Nachruf auf den Leichenstein: Gravitatem morum temperabat 
frontis hilaritate. So war sittliche Würde in diesem Geschlecht gepaart 
mit heiterer Urbanität. Sein Grossvater, Karl Ludwig Nitzsch, General 
superintendent und Seminardirektor in Wittenberg, bewahrte dies Erbe 
in vollstem Masse: von Kants sittlichem Idealismus durchdrungen, dichtete 
er doch heiter wie alle seine Väter. Auf der Fürstenschule zu Meissen 
erzogen, übermittelte er die innige Verbindung altklassischer und theo 
logischer Bildung unserem Freunde. Auch im Inhalt seiner Theologie 
bildet er eine Vorstufe zu der seines Sohnes und Enkels: Konservativ 
in der Umbildung der überlieferten Lehre, vermittelte er zwischen 
Rationalisten und Supernaturalisten, um seiner beiderseitigen Bildung
	        
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