Full text: (1895/96)

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der protestantische Hofprediger, der deutsche Gesandte, der General 
konsul des deutschen Reiches, die Direktoren und Mitglieder des 
deutschen archäologischen Institutes und sämtliche, in Athen anwesende, 
deutsche Gelehrte. Am Grabe sprach der Hofprediger, dann Dr. 
Bu resch. 
Und so ruht denn unser Freund fern von seinen Lieben in 
fremdem Lande, aber in dem geweihten Boden Attikas unter derselben 
Erde, welche seinen Sokrates, seinen Platon deckt. Bald wird ein 
würdiges Denkmal die Stätte kennzeichnen, und manchem unter uns 
wird es wohl noch im Laufe der Zeiten vergönnt sein, einen Kranz 
auf das Grab zu legen. 
Jetzt aber wollen wir dem Verewigten ein Denkmal in unserer 
Seele errichten, indem wir uns die Hauptzüge seines Lebens und 
Wirkens vergegenwärtigen, um sie dauernd festzuhalten. 
Gustav Glogau wurde geboren zu Laukischken bei Labiau in 
Ostpreussen am 6. Juni 1844. Zwei Jahre darauf erfolgte die Berufung 
des Vaters als Prediger und Superintendent nach Tilsit, wo die Kindheit 
und die Gymnasialjahre verbracht wurden. Schon in dem Knaben 
zeigte sich der Grundzug des Charakters, welcher später den Mann 
kennzeichnete: ein ausgeprägter, mitunter etwas stürmisch auftretender 
Idealismus, welchem es nicht immer leicht wurde, sich dem mehr 
nüchternen, auf das Praktische gerichteten Sinne der Mutter zu fügen. 
So wenn unser junger Philosoph sich in harter Weise gegen diejenigen 
aussprach, denen die Wissenschaft jene wohlbekannte, Butter spendende 
Milchkuh ist. Ihm sollte sie nur die hohe, die himmlische Göttin sein, 
und sie ist es ihm, wie sein Lebensgang zeigt, durch alle Zeiten ge 
blieben. Der Lieblingsdichter des Knaben war begreiflicherweise 
Schiller; auch er selbst versuchte sich, ähnlich wie der junge Platon, in 
lyrischen Gedichten und Dramen; ob er sie, ebenso wie dieser, verbrannt 
bat, davon wird nichts berichtet; jedenfalls pflegte er in späteren 
Jahren nicht davon zu reden. 
Ein gesunder Sinn zeigt sich darin, dass er, als er 1863 die 
Universität Berlin bezog, sich im ersten Jahre, ähnlich wie Schopen 
hauer, für Medizin einschreiben Hess. Denn diese belehrt uns über 
den äussern Menschen, und der Weg zum innern Menschen, dem 
Hauptgegenstande aller Philosophie, geht durch den äusseren. Möchte 
nur auch die Medizin mehr und mehr sich des grossen Vorteils bewusst 
Werden, der ihr daraus erwachsen würde, mit ächter Philosophie Hand 
ln Hand zu arbeiten! Es ist ja sehr notwendig und sicherlich das Erste, 
dass man das vielverzweigte Zusammenspiel aller der Knochen, Muskeln 
und Nerven, dass man die Organe des Leibes und ihre Funktionen 
genau durchforscht — aber die letztgültige, vollbefriedigende Interpretation 
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