Full text: (1895/96)

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in der Tiefe vor ihnen das weite, offene Meer, umrahmt zur Rechten 
von der Küste von Argolis und zur Linken von der Inselwelt der 
Kykladen 1 Es war, als hätte die Natur, gleichsam zum Abschiede, 
sich noch einmal in ihrer ganzen Herrlichkeit zeigen wollen. 
Es folgte die Rückkehr zu Wagen nach Laurion, wo der Schwede 
sich alsbald in das Stationsgebäude begab, während die beiden Freunde 
bis zum Abgänge des Zuges gegenüber im Freien bei einer Tasse 
Kaffee in angenehmer Unterhaltung sassen. Plötzlich ertönt das Signal 
der Abfahrt; beide eilen auf das Perron, suchen verschiedene Wagen 
auf, der eine gelangte mit Hülfe des Schaffners glücklich auf seinen 
Platz, der andere trat fehl oder glitt aus und geriet unter die Räder 
des abfahrenden Zuges. — 
Ein Signal brachte den dahineilenden Zug zum Stehen, man sah 
die Leute nach hinten laufen, es hiess, ein Unglück sei geschehen. 
Auch Dr. Korn steigt aus, geht zurück und erkennt mit Entsetzen 
in dem Verunglückten seinen Freund! Schon war der zufällig an 
wesende Arzt der französischen Bergwerkgesellschaft bemüht, einen 
Notverband anzulegen; der Oberkörper war unverletzt, nur die Beine 
waren überfahren worden. Aber der Blutverlust war ein zu grosser 
gewesen. Dr. Korn beugt sich über den Verwundeten und vernimmt 
nur noch die Worte: „lassen Sie mich von hier wegtragen.“ Dann 
trat eine Ohnmacht ein, welche kurz darauf in Tod überging. 
Die letzten Worte des Entschlafenen scheinen zu beweisen, dass 
er kein Bewusstsein von der Schwere seiner Verletzung hatte, — sonst 
würden seine Gedanken wohl eine andere Richtung genommen haben. 
Für diese Annahme sprechen auch die von dem Toten genommenen 
Photographien; er macht auf ihnen den Eindruck eines friedlich 
Schlafenden; das im Leben etwas unruhige, suchende Auge ist ge 
schlossen, und der kontemplative Zug des Angesichts kommt mehr 
zur Geltung. 
Der Leichnam wurde nach dem Krankenhause der Minengesell 
schaft gebracht. Dr. Korn hielt treulich bei demselben Wacht und 
gab die ersten Nachrichten in die Heimat. Am folgenden Morgen 
wurde der Körper mittels eines von der Verwaltung zur Verfügung 
gestellten Extrazuges nach Athen befördert und dort einbalsamiert. 
Am Montag, dem 25. März überschritt ein stattlicher Leichenzug 
die Brücke des, gewöhnlich wasserlosen, Ilissos — vielleicht an der 
Stelle, wo Sokrates mit Phädrus unter der Platane ruhte, als er das 
berühmte philosophische Gespräch führte; — vom Ilissosthale ging es 
dann weiter über den südlich gelegenen Hügel zum Centralfriedhofe, 
wo im Angesichte des Meeres das Grab bereitet war. Der Sarg war 
mit Blumen und Kränzen reich geschmückt; hinter demselben schritten
	        
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