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brechend gewirkt, und für eine neue, den grundlegenden Fragen sich
zuwendende Richtung, welche in neuerer Zeit die Prozesswissenschaft
eingeschlagen hat, war er einer der energischsten, geistvollsten und
selbständigsten Vorkämpfer, und so dürfen wir es bei seinem allzufrühen
Dahinscheiden als ein Glück für die Wissenschaft preisen, dass es ihm
noch vergönnt war, etwa anderthalb Jahre vor seinem Tode ein Werk
zu Ende zu führen und zu veröffentlichen, in welchem er das deutsche
Strafprozessrecht in seiner Gesammtheit zum Gegenstände eingehendster
Behandlung gemacht hat. Im Jahre 1892 erschien sein „Lehrbuch des
deutschen Strafrechts“, — ein Werk, in welchem zum ersten Male,
seit die Strafprozessordnung im deutschen Reiche in Kraft getreten ist,
diese Materie einer umfassenden systematischen Bearbeitung, und zwar
in grundlegender Weise unterzogen worden ist, — ein Werk mit
welchem er sich einen dauernden Platz in der Geschichte der Rechts
wissenschaft erworben hat. —
Gleich ausgezeichnet wie als Schriftsteller und Forscher war
von Kries als akademischer Lehrer. Seine umfassende Gelehrsamkeit,
die ihm eigene Gabe klarer und präzisester mündlicher Formulirung
der Gedanken, befähigten ihn in besonderem Masse zur Ausübung des
akademischen Lehrberufes. Seine Freude- an diesem Berufe, der Eifer,
mit welchem er besonders die für die Ausbildung unserer jungen
Juristen so wichtigen praktischen Übungen im Seminar pflegte, ge
stalteten seine Lehrthätigkeit an unserer Hochschule zu einer besonders
fruchtbaren und erfolgreichen. —
An allen die Verwaltung unserer Hochschule betreffenden An
gelegenheiten nahm er stets lebendigen Antheil, und wenngleich er
es nicht liebte in den Berathungen unseres Konsistoriums unmittelbar
■n die Diskussion einzugreifen, so wusste er doch in allen wichtigen
und entscheidenden Prägen seinen Ansichten Gewicht und Einfluss zu
Verschaffen.
Ich würde das Bild des Entschlafenen nur unvollkommen gezeichnet
haben
zuhebe
wollte ich mich darauf beschränken, die Eigenschaften hervor-
aii Jen ’ a ^ s Gelehrten, als Lehrer, als Glied unserer Korporation
uuszeichneten.
des I^ e ' wen ’» en Berufen lässt sich der ganze Mensch von dem Träger
akad erUfeS a * s so,cllenl weniger trennen, als gerade bei dem des
cjg Uischen Lehrers, und ich kenne wenige Universitätslehrer, bei
fy r j. c le gesammte Individualität von so entscheidender Bedeutung
dah; ^ anze Wirksamkeit gewesen wäre, wie gerade bei unserem
^geschiedenen Kollegen von Kries.
6nn er war eine durch und durch harmonische Natur.