Full text: (1893/94)

17 
brechend gewirkt, und für eine neue, den grundlegenden Fragen sich 
zuwendende Richtung, welche in neuerer Zeit die Prozesswissenschaft 
eingeschlagen hat, war er einer der energischsten, geistvollsten und 
selbständigsten Vorkämpfer, und so dürfen wir es bei seinem allzufrühen 
Dahinscheiden als ein Glück für die Wissenschaft preisen, dass es ihm 
noch vergönnt war, etwa anderthalb Jahre vor seinem Tode ein Werk 
zu Ende zu führen und zu veröffentlichen, in welchem er das deutsche 
Strafprozessrecht in seiner Gesammtheit zum Gegenstände eingehendster 
Behandlung gemacht hat. Im Jahre 1892 erschien sein „Lehrbuch des 
deutschen Strafrechts“, — ein Werk, in welchem zum ersten Male, 
seit die Strafprozessordnung im deutschen Reiche in Kraft getreten ist, 
diese Materie einer umfassenden systematischen Bearbeitung, und zwar 
in grundlegender Weise unterzogen worden ist, — ein Werk mit 
welchem er sich einen dauernden Platz in der Geschichte der Rechts 
wissenschaft erworben hat. — 
Gleich ausgezeichnet wie als Schriftsteller und Forscher war 
von Kries als akademischer Lehrer. Seine umfassende Gelehrsamkeit, 
die ihm eigene Gabe klarer und präzisester mündlicher Formulirung 
der Gedanken, befähigten ihn in besonderem Masse zur Ausübung des 
akademischen Lehrberufes. Seine Freude- an diesem Berufe, der Eifer, 
mit welchem er besonders die für die Ausbildung unserer jungen 
Juristen so wichtigen praktischen Übungen im Seminar pflegte, ge 
stalteten seine Lehrthätigkeit an unserer Hochschule zu einer besonders 
fruchtbaren und erfolgreichen. — 
An allen die Verwaltung unserer Hochschule betreffenden An 
gelegenheiten nahm er stets lebendigen Antheil, und wenngleich er 
es nicht liebte in den Berathungen unseres Konsistoriums unmittelbar 
■n die Diskussion einzugreifen, so wusste er doch in allen wichtigen 
und entscheidenden Prägen seinen Ansichten Gewicht und Einfluss zu 
Verschaffen. 
Ich würde das Bild des Entschlafenen nur unvollkommen gezeichnet 
haben 
zuhebe 
wollte ich mich darauf beschränken, die Eigenschaften hervor- 
aii Jen ’ a ^ s Gelehrten, als Lehrer, als Glied unserer Korporation 
uuszeichneten. 
des I^ e ' wen ’» en Berufen lässt sich der ganze Mensch von dem Träger 
akad erUfeS a * s so,cllenl weniger trennen, als gerade bei dem des 
cjg Uischen Lehrers, und ich kenne wenige Universitätslehrer, bei 
fy r j. c le gesammte Individualität von so entscheidender Bedeutung 
dah; ^ anze Wirksamkeit gewesen wäre, wie gerade bei unserem 
^geschiedenen Kollegen von Kries. 
6nn er war eine durch und durch harmonische Natur.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.