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Rede
bei der akademischen Trauerfeier
für
Prof. Dr. August von Kries,
gestorben den 7. Januar 1894.
H o c h a n s e h ti 1 i c h e Versammlung!
Mit Trauer hat das Jahr 1893 für unsere Hochschule geendet;
mit Trauer müssen wir das neue Jahr beginnen. Abermals ist unser
corpus academicum von einem schweren Verluste heimgesucht.
Nicht aus den' Reihen der akademischen Jugend hat der Tod
diesmal sein Opfer gefordert, nicht eine Kraft gebrochen, die sich erst
entfalten sollte. Nicht ein Leben ist hier erloschen, das voll ausgelebt
war und die ihm gestellten Aufgaben erschöpft hat.
Ein in der Blülhe seiner Jahre stehender Mann ist mitten aus
frohem, fruchtbarstem Schaffen herausgerissen, eine Kraft unserem
Lehrkörper geraubt, die sich auf das glänzendste bereits bewährt hat,
und von der wir, von der die Wissenschaft noch die reichste Bethätigung
erwarten durften.
Unser theurer Kollege, der ordentliche Professor der Rechts
wissenschaft Dr. August von Kries ist am 7. Januar, wenige Tage
vor dem vollendeten 38. Lebensjahre einer schweren Krankheit, die
ihn vor etwa anderthalb Jahren erfasste, erlegen.
Mir, als dem zeitigen Prodekan der juristischen Fakultät, welcher
der Entschlafene seit Ostern 1888 angehört hat, liegt es ob, den
Gefühlen der tiefen Trauer Ausdruck zu geben, welche seiner Fakultät
und unsere gesammte Hochschule angesichts dieses schmerzlichen Er
eignisses erfüllen.
Von welcher Seite auch immer wir das Bild unseres dahin
geschiedenen Kollegen betrachten mögen, von jedem Gesichtspunkte
aus müssen wir diesen Verlust in gleicher Schwere empfinden.
August von Kries hat an unserer Hochschule den Lehrstuhl für
die Disziplinen des Strafrechtes, des Straf- und Civilprozesses innegehabt.
Es ist nicht dieses Ortes und würde auch mir als dem Vertreter eines
anderen Faches nicht zustehen, seine wissenschaftlichen Verdienste
eingehend zu würdigen. Aber nach dem einstimmigen Urtheil seiner
näheren Fachgenossen gehörte von Kries zu den hervorragendsten
Vertretern der genannten Zweige der Rechtswissenschaft. In einer
Reihe bedeutsamer, tief eindringender Untersuchungen hat er nament
lich für die Lehren des Civilprozesses und das Strafprozesses bahn