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wohl, dass ich im Anschauen von meines Vaters Persönlichkeit auf
gewachsen bin, bei ihm war die Theologie ein habitus practicus in
des Wortes eminentester Bedeutung.
Und wenn aus dem, was ich anzuführen mir erlaubte, dies
vielleicht noch nicht klar genug geworden sein sollte, nun, so will ich
zum Schluss ihm selbst das Wort geben. Noch einmal in diesem
Hause, das ihm so teuer war, mag er zu Ihnen reden, wenn auch
nur durch meinen Mund, und Ihnen sagen, in welchem Geiste er
theologisch arbeitete; das aber thut'er in dem Eingangsgedicht zu
seinen „Heiligtümern der Menschheit“.
Könnt ich, o Gott, von Dir und Deinem Wirken,
Und von dem Ziel, zu dem du alles lenkst,
Ein reines Bild in meine Seele fassen,
Dem Urbild ähnlich, das Du ewig denkst,
Nie würde mir zu heiss der Kampf des Lebens
Es strömte mir der ewig frische Quell
Heilsamen Schaffens mächtig durch die Seele,
Und in mir wäre Alles still und hell.
So reinige denn mein Herz von seinen Schlacken
Und nimm vom Geiste mir den trüben Flor,
Zieh mich in Deine Tiefen, Herr, und hebe
Zu Deinem Höhn mich gnadenvoll empor,
Dass ich im Dunkel über das nicht bleibe,
Was Deinem heilgen Wesen nach Du bist,
Und dass von Deiner Wart’ ich überschaue,
Was Deines Wesens hehrer Ausdruck ist,
Und lauschend auf den Pulsschlag Deines Herzens,
Und sinnend, bis sich mir Dein Sinn enthüllt,
Das Unvergleichliche entzückt begrüsse,
Darin Dein Rat und Wille sich erfüllt. —