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ihren Raum innerhalb der Theologie zu gewähren haben, insofern es
nur in kritisch besonnener Weise geschieht. Das Ziel aber, welchem
er hier zustrebt, war, das Recht des Theismus zu erweisen, darunter
ist in diesem Falle indes nicht zu verstehen, was man gewöhnlich die
Beweise für das Dasein Gottes nennt, diese Beweise erschienen ihm
vielmehr als das überflüssigste von der Welt, denn mit vollem Recht
meinte er, das Dasein eines höchsten und letzten Grundes der ganzen
Endlichkeit leugne niemand und könne niemand leugnen, auch der
entschiedenste sogenannte Atheist nimmt jene letzte, alles umfassende
Einheit an, welche sein Kausalitätsbedürfnis unweigerlich fordert und
auf welche er ebenso notgedrungen gewisse Attribute des Gottes
begriffs, des Absoluten überträgt, zunächst wenigstens die rein physischen
der Macht, Allgegenwart, Allwirksamkeit u. s. w. Ueber das Dasein
Gottes also herrscht im Grunde Einstimmigkeit; worauf es ankommt,
ist nur dies, wie Gott zu denken ist, und hier schreitet der Verfasser
einfach dazu, den allgemein verwendeten und zugestandenen Begriff
des durchaus Unbedingten und durchaus Vollkommenen zu analysiren,
um auf diesem Wege die Attribute des Gottesbegriffs zu gewinnen;
denn durchaus vollkommen ist nicht, wer seiner selbst nicht mächtig
ist, und das ist der nicht, der sein geistiges Wesen nicht in der höchsten
geistigen Daseinsweise, welche wir kennen, im Selbstbewusstsein
zusammenzufassen vermag. Durchaus vollkommen ist nicht, dem zwar
das Attribut der absoluten Macht zukommt, aber ohne dass die ethisch
vollendenden Eigenschaften der Weisheit und Güte uns eine Garantie
geben gegen eine sinnlose Tyrannei. Diese Construction erweist sich
als eine Umkehrung des bekannten ontologischen Arguments, welches
aus der uns notwendigen Idee des allervollkommensten Wesens auf
dessen Existenz erst schliesst. Hier ist umgekehrt die Existenz des
selben als allerseits zugegeben betont und durch das Analoge seines
Begriffs erfüllt sich das Absolute mit den Attributen der theistischen
Gottesidee. Diese aber war dem Heimgegangenen die Grundlage
seines ganzen inneren Lebens, aus ihr leitete er alles andre ab und
vor allem lagen ihm im christlich vollendenden Gottesbegriff auch die
Prämissen für die persönliche Fortdauer nach dem Tode, in deren
heisser sehnsuchtsvoller Erwartung er nach schwerem Leiden im
Glauben an Christum entschlummert ist.
Die Geschichte berichtet uns von einem Streit der alten Theologen
darüber, ob die Theologie ein habitus theoreticus, oder ein habitus
practicus sei, das heisst nach unsrer Redeweise etwa, ob diese lediglich
eine Sache des Verstandes oder mit der gesamten Characterbildung
in Wechselwirkung stehende Geistesarbeit sei. Ich habe, aufrichtig
gestanden, diese Streitfrage nie recht begriffen; der Grund davon ist