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in zweckmässiger Anordnung zusammengestellt, in dem Theile, welcher
Luther und seine Concordienformel betrifft, im Wesentlichen Be
friedigendes geleistet und die neueren literarischen Verhandlungen über
den fraglichen Gegenstand hinreichend berücksichtigt. Aber der erste
Theil der Abhandlung ist immerhin nicht ganz vollständig, die am
Schlüsse desselben gegebene Zusammenfassung der Lehre der alten
Dogmatiker von der unio mystica auch nicht präcis. Der dritte
Theil der Abhandlung ist durchaus ungenügend, weil hier der mystische
Sinn der herangezogenen neutestamentlichen Stellen immer nur be
hauptet, nicht aber unter exacter Widerlegung möglicher anderer
Deutungen bewiesen wird. Schon hier ist ferner alle psychologische
Genauigkeit zu vermissen. Dasselbe gilt noch mehr von dem vierten
Theile. Letzterer enthält überdies zwar zahlreiche und zum Theil um
fassende Citate und Exerpte aus den Schriften Anderer, jedoch
wenig eigenes, selbstständiges und beweiskräftiges Raisonnement, nament
lich aber keine in kirchenhistorischer, religionsgeschichtlicher und
religionsphilosophischer Hinsicht genaue Bestimmung und Erörterung
des Wesens und des Werthes der Mystik. Die Fakultät sieht sich
daher ausser Stande, dem Verfasser den Preis zuzuerkennen.
Befriedigenderes als der erste Bewerber hat der zweite ge
leistet, der Verfasser der Abhandlung mit dem Motto: „Matthaeus
18, 20 (ob yaQ slcUv dt o rj roelc övvrjyi.iltoi etc to tiiov ovofia, exst si[ti iv
(ticjcp ccvTcov)-“ Seine Arbeit zeugt von anerkennenswerthem Fleissp, von
nicht geringem formellem Geschicke und von einem tüchtigen Streben nach
selbstständigem Urtheile. Aber einerseits kann schon die geschicht
liche Darlegung nicht als ganz genügend gelten, sofern die Dar
stellung der Lehre der älteren lutherischen Dogmatiker einzelne Lücken
aufweist und sofern auch die auf die allgemeine Religionsgeschichte
bezüglichen Behauptungen theilweise voreilig und nicht ausreichend be
gründet sind. Andrerseits hat der Verfasser, was die exegetische
Seite der Aufgabe betrifft, die Möglichkeit der der seinigen entgegenge
setzten Auslegung der betreffenden Hauptstellen zu wenig in concreto
und im Einzelnen widerlegt, namentlich nicht wirklich nachgewiesen,
dass eine rein ethische-Fassung derselben auch durch Unterscheidung
bildlicher Ausdrücke von den wesentlichen Grundgedanken, der Vor
stellungsform von dem Kern des Gehaltes in denselben nicht zu
begründen sei. Im religionsphilosophischen Theile ist die Zu
gehörigkeit des Mystischen zum Wesen der Religion im Ganzen zu
vorschnell als feststehend vorausgesetzt, hingegen zu wenig nach
gewiesen, ferner das Verhältniss der Phantasie zur Mystik nicht
untersucht. Dir Fakultät vermag daher in der vorliegenden Gestalt
auch dieser zweiten Abhandlung den Preis nicht zuzuerkennen.“