Full text: (1883)

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in zweckmässiger Anordnung zusammengestellt, in dem Theile, welcher 
Luther und seine Concordienformel betrifft, im Wesentlichen Be 
friedigendes geleistet und die neueren literarischen Verhandlungen über 
den fraglichen Gegenstand hinreichend berücksichtigt. Aber der erste 
Theil der Abhandlung ist immerhin nicht ganz vollständig, die am 
Schlüsse desselben gegebene Zusammenfassung der Lehre der alten 
Dogmatiker von der unio mystica auch nicht präcis. Der dritte 
Theil der Abhandlung ist durchaus ungenügend, weil hier der mystische 
Sinn der herangezogenen neutestamentlichen Stellen immer nur be 
hauptet, nicht aber unter exacter Widerlegung möglicher anderer 
Deutungen bewiesen wird. Schon hier ist ferner alle psychologische 
Genauigkeit zu vermissen. Dasselbe gilt noch mehr von dem vierten 
Theile. Letzterer enthält überdies zwar zahlreiche und zum Theil um 
fassende Citate und Exerpte aus den Schriften Anderer, jedoch 
wenig eigenes, selbstständiges und beweiskräftiges Raisonnement, nament 
lich aber keine in kirchenhistorischer, religionsgeschichtlicher und 
religionsphilosophischer Hinsicht genaue Bestimmung und Erörterung 
des Wesens und des Werthes der Mystik. Die Fakultät sieht sich 
daher ausser Stande, dem Verfasser den Preis zuzuerkennen. 
Befriedigenderes als der erste Bewerber hat der zweite ge 
leistet, der Verfasser der Abhandlung mit dem Motto: „Matthaeus 
18, 20 (ob yaQ slcUv dt o rj roelc övvrjyi.iltoi etc to tiiov ovofia, exst si[ti iv 
(ticjcp ccvTcov)-“ Seine Arbeit zeugt von anerkennenswerthem Fleissp, von 
nicht geringem formellem Geschicke und von einem tüchtigen Streben nach 
selbstständigem Urtheile. Aber einerseits kann schon die geschicht 
liche Darlegung nicht als ganz genügend gelten, sofern die Dar 
stellung der Lehre der älteren lutherischen Dogmatiker einzelne Lücken 
aufweist und sofern auch die auf die allgemeine Religionsgeschichte 
bezüglichen Behauptungen theilweise voreilig und nicht ausreichend be 
gründet sind. Andrerseits hat der Verfasser, was die exegetische 
Seite der Aufgabe betrifft, die Möglichkeit der der seinigen entgegenge 
setzten Auslegung der betreffenden Hauptstellen zu wenig in concreto 
und im Einzelnen widerlegt, namentlich nicht wirklich nachgewiesen, 
dass eine rein ethische-Fassung derselben auch durch Unterscheidung 
bildlicher Ausdrücke von den wesentlichen Grundgedanken, der Vor 
stellungsform von dem Kern des Gehaltes in denselben nicht zu 
begründen sei. Im religionsphilosophischen Theile ist die Zu 
gehörigkeit des Mystischen zum Wesen der Religion im Ganzen zu 
vorschnell als feststehend vorausgesetzt, hingegen zu wenig nach 
gewiesen, ferner das Verhältniss der Phantasie zur Mystik nicht 
untersucht. Dir Fakultät vermag daher in der vorliegenden Gestalt 
auch dieser zweiten Abhandlung den Preis nicht zuzuerkennen.“
	        
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