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nach der Heimkehr, und der zu Rathe gezogene Arzt schickte die Kranke sofort in
ein Krankenhaus, wo eine Hüftgelenksentzündung diagnosticirt wurde. (5. April 1877).
Patientin ging mit Krücken umher, das linke Bein durch einen Riemen festgehalten.
Nachher lag das Bein auf dem Planum inclinatum, Morgens und Abends wurden 2
Stunden lang Eisbeutel und Morgens ausserdem noch trockne Schröpfköpfe auf das
Gelenk applicirt. Dazu kamen Atropininjectionen, Jod innerlich, später ein Streck
verband mit 4 Pfd. Gewicht, von Mitte Mai bis Mitte Juni Sitzbäder in Kreuznacher
Mutterlauge und Tölzer Brunnen innerlich. Allmählich hatte sich die Sache soweit
gebessert, dass Patientin im Rollstuhl ausfahren konnte. Nach einer plötzlichen Ver
schlimmerung wurde das Bein eingegypst. Ein neuer Anstalts-Arzt übernahm nun die
Behandlung. Das Bein, das sich im Verband im Knie krumm gestellt hatte, musste
mehrmals gewaltsam gestreckt werden und kam dann wieder in Extensionsverband
mit Zug von 4, dann 2 Pfd. Auch diese mussten entfernt werden, um Nachtruhe
zu ermöglichen. Später wurden bis zu 6 Pfd. ertragen. Anfangs October wurde
Patientin als geheilt entlassen. Sie fühlte sich 2 Tage lang vollkommen gesund.
Dann stellten sich wieder Schmerzen in Hüfte und Knie ein und 2 Aerzte diagnosti-
cirten eine abermalige Hüftgelenksentzündung. Vom 20. November ab lag Patientin
wieder im Streckverband. Es traten nun Zuckungen in den Muskeln des Gesichts,
der Extremitäten und besonders des mit 8 Pfd. extendirten Beins auf, die sich in
etwa 8 tägigen Zwischenräumen wiederholten. Innerlich wurde Eisen, Chinin, Gelsemium
und wegen Schlaflosigkeit Chloral in grossen Dosen verordnet.
Am i. Januar 1878 konnte Patientin wieder mit Krücken umhergehen und war
frei von Schmerzen. Doch wurde sie in den nächsten Monaten immer schwächer, die
Krampfanfälle traten häufiger auf, auch die Schmerzen kehrten wieder, so dass sich
Patientin am 20. April 1878 wieder in das frühere Krankenhaus aufnehmen Hess.
Abermals Streckverband. Die »nervösen Anfälle« wiederholten sich 3 4 mal
täglich; wegen der enormen Schmerzattaquen mit Muskelzuckungen wurde Aether,
wiederholte Chloroformnarkosen und Morphiuminjectionen in Anwendung gebracht.
Auch kalte Abreibungen, Soolbäder, Douchen, wurden versucht — alles vergeblich.
Am 22. October wurde Patientin als unheilbar, an chronischer Hüftgelenksentzündung
leidend entlassen. Von da bis zum 22. November war Patientin ohne ärztliche Be
handlung. Gegen die Schmerzen und hysterischen Anfälle brauchte sie Morphium,
Chloroforminhalationen, letztere oft 3 — 4 mal täglich, ausserdem Valeriana, Kampher,
Bromkalium in grossen Dosen.