I )ie medicinische Forschung hat in den letzten Decennien ihre Bemühungen mit
Vorliebe den Erkrankungen des Nervensystems zugewendet. Mit welchem Erfolg
lehrt auch die flüchtigste Umschau auf diesem Gebiet. Aus dem uniformen Chaos
der Rückenmarkserkrankungen hat sich eine Anzahl wohlunterschiedener Krankheits
bilder heraus entwickelt, deren detaillirte und genau localisirte Diagnose erst durch
eine lange Reihe neu gefundener anatomischer, physiologischer, symptomatologischer
Thatsachen ermöglicht wurde. Diesem Fortschritt in der Erkenntniss hat das thera
peutische Können, trotz mancher Errungenschaften von bleibendem Werth, — es sei
nur an die von Remak eingeführte Anwendung der Electricität erinnert, — nicht
vermocht gleichen Schritt zu halten. Der verfeinerten Diagnose steht noch immer
die alte therapeutische Ohnmacht gegenüber, und nur zu oft müssen wir genügsam
unsere wissenschaftliche Befriedigung darin finden, das schwere Leiden und seine
Prognose frühzeitig erkannt zu haben.
Um so wunderlicher ist das leise Missbehagen, das wir einem Krankheitsbild
entgegenbringen, bei welchem wir therapeutisch recht viel vermögen, dessen
Verständniss allerdings, wie man zugestehen muss, nicht weit über hypothetische
Vorstellungen hinausgeht. Es bedarf immer wieder der frappirenden Wucht der
Fleilungsthatsache, um unser Interesse der Eigenartigkeit der Gelenkneurosen zuzu
wenden.
Um so dankbarer bin ich meinem verehrten Lehrer und Chef, Herrn Professor
Dr. Petersen für die gütige Bereitwilligkeit, mit der er mir einen Fall von Gelenk
neurose zur Veröffentlichung überliess, der recht geeignet erscheint, den Einfluss einer
einfachen Behandlung auch in scheinbar verzweifelten Fällen von Neuem zu erweisen.
Ich werde zuerst die Krankengeschichte des Falles berichten, um dann einige
allgemeine Betrachtungen anzureihen,