Full text: (Band XXV.)

i5 
hochbegabte Volk der Athener hegte und pflegte diese Religion mit dem 
andachtsvollsten und aufrichtigsten Eifer und die Eleusinischen Mysterien gehö 
ren zu den heiligsten Institutionen des Landes. 
Wir finden auf diese Weise in Hellas zwei sehr entgegengesetzte Religions- 
standpuncte vertreten: den von Delphi und den von Eleusis. Diejenigen Grund- 
affecte des menschlichen Geistes, welche in diesen Gülten gleichsam Gestalt ange 
nommen haben, sind völlig ihrem Wesen nach verschieden. Der Apollinische Cultus 
hält die Leidenschaft nieder, der Eleusinische regt sie aufs Aeusserste an. Wir 
sehen nun zwar ein eigentlich feindseeliges Verhalten zwischen diesen beiden Religions- 
standpuncten nicht ausgeprägt. Die Hellenen trugen gegen Alles, was sich für Re 
ligion ausgab, eine unbegrenzte Scheu im Herzen. Allein dass ein sehr tiefgehender, wenn 
auch unausgesprochener Gegensatz bestand, bezeugen manche Kennzeichen. Das spre 
chendste Zeugniss für einen solchen Gegensatz ist die Erscheinung, dass die Tragödie ganz 
aus dem Charakter der Dionysos-Religion, der sie ursprünglich angehört, in denjenigen der 
Apollinischen übergegangen ist. Auch Pindar muss gegen die Culte, deren wesentlichstes 
Element die Extase und Verzückung ist, sicherlich sich ablehnend verhalten haben. Er hat 
zwar unzweifelhaft, wie seine Gedichte bezeugen, die weihevoll gemässigten Empfin 
dungen von Schmerz und Jubel als Ausdruck der Theilnahme an jenen Herbst- und 
Erühlings-Culten für durchaus unverwerflich gehalten und sogar selbst jene Götter 
in Liedern in diesen Sinn gepriesen. Er hat Dithyramben gedichtet und preist 
auch die in die Eleusinischen Mysterien Eingeweihten glücklich. Aber eine inner 
liche Verwandtschaft mit diesen Gülten hat er nicht gefühlt. Es ist eine hierfür 
charakteristische Erzählung aus dem Alterthume erhalten (Paus. 9, 23, 2), wonach 
Eindar, der doch sonst allen Göttern seine Poesie weihte, dennoch bis an die letzten 
Eage seines Lebens niemals einen Hymnus auf Persephone gedichtet haben soll. 
Eie Göttin soll ihm kurz vor seinem Tode im Traum erschienen sein und ihm ange 
deutet haben, dass auch sie nunmehr einen Hymnus zu ihrem Preise von Pindar ver 
lange. Der Dichter fügte sich dem Verlangen der Gottheit; er starb aber am zehn 
ten 1 age nach dieser Erscheinung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.