JA
Aus dieser Betrachtung des Gedächtnisses ergeben sich für Lehrende und Lernende
einige, übrigens in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Erfahrung stehende, Re
geln. Die Intensität, mit welcher ein Eindruck hervorgebracht wird, hat keine seiner
messbaren Stärke entsprechende Wirkung auf das Gedächtniss. Handelte es sich
nur darum Eindrücke zu machen, so würde das psychophysische Gesetz, zu Folge
dessen die Wirkung proportional dem Logarithmus der Reizstärke ansteigt, Geltung
haben; aber die Eröffnung von Wegen, die dauernde Umbildung von Nervenfasern,
erfordert jedenfalls auch die Zeit als Factor, und kann deshalb nicht unmittelbar
durch eine Impression hervorgebracht werden. Mittelbar wirkt der starke Eindruck
dadurch, dass er längere Zeit braucht, um vollständig abzuklingen, weit mehr aber
noch deshalb, weil er noch lange nachher die Gedanken zu beschäftigen pflegt, also
häufig reproducirt wird. Solche häufigen, mit Belassung von Zwischenräumen sich
machenden Wiederholungen, sind das hauptsächlichste Mittel, um die Ereignisse im Ge
dächtniss fest zu halten. Sollte aber von dem Lehrer der Eindruck selbst direct wieder
holt werden, so würde eine dem Gewinn völlig unproportionirte Arbeit geleistet wer
den, ganz abgesehen davon, dass es noch nöthig sein würde, mit den schädlich
intercurrirenden Ermüdungen und Abschweifungen der Gedanken zu kämpfen. Es wird
daher nothwendig, die Wiederholungen dadurch zu erzwingen, dass man die Asso
ciation mit schon im Gedächtniss vorhandenen Gegenständen zu Hülfe
nimmt. Dies wird durch eine systematische Gliederung des Vortrags erreicht, wo
jedes Neue sich der schon erworbenen Gedankenreihe in linearer Verlängerung anreiht
Erfolgreicher noch ist eine so gestalete Einführung in den Ideenkreis des täglichen.
Lebens, dass schon die täglichen Eretgnisse zu einer Repetition des Erlernten Anlass
geben. Häufig scheitern Erfolg und Fiortschritt ^an der Schwierigkeit, das zu Lehrende
passend dem vorhandenen Ideenkreis zu associiren, denn es ist schwer, die Dinge so
zu formuliren, dass sie sich leicht zu den knappen Contouren und Zeichen der Erin
nerungsbilder umgestalten können. Namentlich ist es fast unmöglich, den Inhalt des
Ideenkreises der verschiedenen Individuen nach Intensität und Charakter richtig zu
würdigen. Bei der Verborgenheit und sehr grossen Complication der hier in Betracht
kommenden Verhältnisse, ist der einzige, sicher vorwärts führende Weg der, dass
man sich an die natürliche Art Erfahrungen zu gewinnen möglichst eng anschliesst.
Durch unsere Demonstrationen und Curse, durch Experimente und Excursionen, durch
Urkunden und Urschriften wird einem Jeden eine unvergleichlich grössere Menge von
* Anknüpfungspunkten für die Erinnerung geboten, als es das Wort des Lehrers allein
zu thun vermöchte. Jeder wird sich seine besonderen Gedächnissbilder entnehmen