Schon seit langer Zeit sind einzelne Fälle von den Aerzten beobachtet und erzählt
worden, wo Frauen nach normaler Dauer ihrer Schwangerschaft nicht entbunden
wurden’, sondern die Frucht, deren Anwesenheit sowohl durch objective als auch
subjective Symptome nachgewiesen war, noch Monate und Jahre, ja bis an ihr
Lebensende trugen. Nach dem Tode fand man dann gewöhnlich in der Bauchhöhle
ausserhalb des Uterus einen verkalkten oder geschrumpften Foetus, wodurch das Aus
bleiben der Geburt erklärt war. Hie und da fand man auch in der Uterushöhle selbst
ein Lithopädion. Einigen später mitgetheilten Beobachtungen von Verjauchung des Eies
im Uterus mit folgender stückweiser Ausstossung desselben durch die Scheide schenkte
man zuerst wenig Glauben, und Carus 1 ) meint, dass es sich in allen derartigen Fällen
um Extrauterinschwangerschaft gehandelt habe, „zumal da es erwiesen sei, dass auch
bei Abdominalschwangerschaften die einzelnen Knochen durch die Mutterscheide
abgehen könnten.“ Im Laufe der Jahre haben sich nun solche Beobachtungen
ziemlich gemehrt, und finden sich die Mittheilungen darüber in verschiedenen Schriften
zerstreut. Kieser 2 ) sammelte dann alle bis dahin bekannten Fälle, und beschrieb sie
zugleich mit den extrauterinen Lithopädionbildungen. Da jedoch die Ursachen der
Retention bei Extrauterinschwangerschaft, wo ja kein normaler Weg vorhanden ist,
auf dem die Frucht ausgestossen werden könnte, und derjenigen bei Uterin Schwanger
schaft gänzlich verschieden sind, scheint es mir nöthig diese gesondert zu betrachten.
Es ist nun hier ein solcher Fall von Herrn Prof. Litzmann, der mir ihn
gütigst zur Bearbeitung überliess, beobachtet worden, und habe ich es mir deshalb
zur Aufgabe gemacht, alle Fälle von Retention abgestorbener Früchte, die ich in der
Literatur habe finden können, zusammenzustellen, und zu versuchen, daraus einen
Anhaltspunkt für die Erklärung ihres Zustandekommens zu finden.
*) Carus. Zur Lehre von Schwangerschaft und Geburt. Bd. 1. p. 32.
*) Kieser. Das Steinkind von Leinzell. Dissert. Stuttgart 1854.