29
Ist der Process erst soweit gediehen, so befindet er sich in einem circulus vitiosus,
e mem Kreislauf schädlicher Momente, von denen das eine, rückwirkend, das andere verstärkt
und wieder hervorruft.
Die Hyperämie ruft den verstärkten intraokularen Druck und die Erweichung der Ge
webe hervor; diese bedingen die Ausdehnung der Augenhäute; durch diese werden wieder die
Akkommodation und die Convergenz unter ungünstigere Bedingungen gesetzt, und ihre Zug-
wirkung an der Peripherie der pap. n. opt. verstärkt, — dadurch wiederum die Hyperämie
erhöht — und so fort in einem ewig sich erneuernden Kreislauf.
Doch halten wir einen Augenblick an: — Wir nehmen an, es sei schon eine beträcht-
liche Ausdehnung des Bulbus in der Richtung seiner Sehachse erfolgt, und dadurch die Elasti
zität der Chorioidea schon vollkommen in Anspruch genommen, dieselbe befinde sich in einem
Zustande dauernder Anspannung. Zugleich damit ist der Kreis ihrer Anheftung an die Sclera
durch die bestehende Hyperämie bedeutend gelockert. Tritt das Auge nun in Thätigkeit, so
wird die temporale Seite ihrer Befestigung noch dazu einem starken Zuge ausgesetzt werden.
Es ist leicht einzusehen, dass ein Zeitpunkt kommen muss, in dem die Widerstandsfähigkeit
der Verwachsungen an der Papille nicht mehr genügt um diesen Zug auszuhalten; — es wird
e iue Ruptur erfolgen, und die Chorioidea sich in Folge der ihr etwa noch innewohnenden
Elasticität, etwas retrahiren ; wenigstens kann man dies wohl mit Sicherheit von den elastischen
fasern ihres Gewebes, die hauptsächlich in den Meridianen verlaufen, annehmen. Diese Ruptur
""urd zuerst im horizontalen Meridian erfolgen, weil hier der Zug der stärkste. — Betrachten
wir Fig. 2 — also in x.
Erismann giebt an stets hier die ersten Anfänge des Staphyloms gesehen zu haben;
~~ und in der That zeigt uns der Augenspiegel dies Anfangs-Stadium als eine kleine weisse
a trophische Stelle an der temporalen Seite am Horizonte der Papille, umgeben und überdeckt
v on einer starken Hyperämie, die, wie schon Oben bemerkt, die Form der Staphylome zeigt.
Ist die erste Ruptur erfolgt, dann folgen nach und nach die Punkte der Peripherie in
der Reihenfolge, wie sie am meisten exponirt sind, also analog der Figur der Zugwirkungen.
Gleichzeitig drängt der intraokulare Druck nach hinten, dehnt die Augenhäute fortwährend
gleichmässig noch mehr aus, und wir haben jetzt „ein sichelförmiges temporales Staphylom.“
Dass jede erfolgte Ruptur von einer kleinen circumskripten Entzündung hegleitet ist,
lässt sich wohl von vorne herein annehmen, doch der Augenspiegel zeigt uns auch an solchen
Stellen eine lebhaftere Röthung, Im Ganzen ist aber der Process ein sehr schleichender und
die Erscheinungen der Entzündung gewöhnlich sehr gering, wenigstens die subjektiven. Wir
sehen solche Processe verlaufen, während kaum die Patienten über leichte asthenopische Be
schwerden klagen.
Dass wirklich eine Ruptur des Gewebes der Chorioidea in ihrer Anheftung an die Sclera
erfolgt, dass das Staphylom also hauptsächlich durch deu Zug und nicht durch den Druck
hervorgerufen wird, — dafür sprechen verschiedene Momente: Es ist das Gewebe der Chorioidea
Wirklich zurückgewichen, denn in der Ausdehnung des Staphyloms findet man keine Pigmentzellen.
™ir sehen den Process gewissermaassen stossweise verlaufen; es bildet sich ein Staphylom um
da s andere herum, etagenweise, weil, wenn einmal die Chorioidea sich retrahirt und durch eine
leichte Entzündung sich weiter rückwärts angeheftet hat, wieder eine gewisse weitere Ausdehnung
des Bulbus erfolgen muss, bevor die Elasticität wieder auf das Höchste angespannt ist.
Die nach allen Richtungen hin verlaufenden Gefässe .können' natürlich nicht an diesem
Eurückweichen der Grenze der Chorioidea Antheil nehmen; indirekt werden sie jedoch mitbe-
tlieiligt, indem der Ort, an dem die Zugwirkung zur Geltung kommt, mit der Chorioidea. weiter
nach Aussen gerückt ist. Dadurch ist der mechanische Reiz aus ihrem Gebiete entfernt, und
die Hyperämie wird sich an dem neuen locus minoris resistentiae etabliren; -— die alten Bahnen
veröden allmälig, und da gleichzeitig der intraokulare Druck in höherem Grade auf sie ein-