zugleich bei aufrechter Stellung des Körpers sein eigenes Gewicht, d. i. die ganze vordere
Körperhälfte zu tragen. Je mehr der Rumpf gegen den Horizont geneigt wird, desto mehr fällt
diese Function weg. Liegt der Brustkorb tiefer als der Leib, so tritt sogar das umgekehrte Ver-
hältniss ein. Der Brustkorb braucht nicht allein nicht mehr gehoben zu werden, sondern er
wird sogar durch seine eigene Schwere und diejenige der Bauchdecken und deren Inhalt nach dem
Kopf hin gedrückt. Da nun aber die Umwandlung der aufrechten Stellung in eine andere die
Elasticität (und den Tonus) der Rippenheber, also auch ihre Kraft und ihr Bestreben, die Rippen
zu heben und so den Thorax zu erweitern, dasselbe bleibt, so wird der Thorax in jeder ge
neigten Stellung des Rumpfes mehr gehoben werden, als in aufrechter und zwar ungefähr pro
portional der Neigung. Der Thorax steht im Liegen mehr in Inspirationsstellung als im Stehen.“
Gegen die Voraussetzungen, auf welche sich diese Ansicht stützt, lassen sich manche Be
denken wohl erheben. So ist es nicht wahrscheinlich, dass der Thorax in der Rückenlage durch
seine eigene Schwere und diejenige der Bauchdecken 'und dem Inhalt des Bauches nach dem
Kopf hingedrückt wird. Es wird im Gegentheil wahrscheinlich, dass die Rippen, welche in einem
nach Oben offenen und abwärts stets grösser werdenden stumpfen Winkel an der Wirbelsäule
befestigt sind und durch ein Drehgelenk mit demselhen articuliren, den entgegengesetzten Weg
einschlagen werden. Auch der Einfluss, den die Veränderungen, welche die Krümmungen der
Wirbelsäule im Liegen erleiden, auf die Bewegungen der Rippen ausüben, wird sich in anderem
Sinne geltend machen.
Wichtiger als alle theoretischen Erörterungen aber sind die exacten Untersuchungen,
welche Hutchinson, Panum, Wintrich, Quincke veröffentlicht haben und welche für das Gegentheil
der in der genannten Arbeit aufgestellten Ansicht sprechen. Bei Gelegenheit spirometrischer
Untersuchungen kamen die drei erstgenannten Forscher zu dem gleichen Resultat, dass im Liegen
eine geringere Menge Luft nach tiefster Inspiration ausgeblasen werde als im Stehen. Hutchinson,
der Erfinder der Spirometrie, fand bei seinen Untersuchungen über die vitale Lungencapacität,
dass er selbst in der Rückenlage eine geringere Menge von Luft nach tiefster Inspiration aus-
zuathmen vermochte, als im aufrechten Stehen oder im Sitzen (30 resp. 25 Cubikzoll weniger).
Wintrich, der nach seiner eigenen Angabe ein breitschultriger und muskelstarker Mann ist, exspi-
rirte im Stehen und Sitzen 4040 Cc., auf dem Rücken liegend aber athmete er mit vollster
Kraft immer nur 4020 Cc. Aehnliche Resultate erhielt er an sehr kräftigen Soldaten. An
schwächlicheren Menschen aber machte sich der Unterschied sehr auffallend bemerkbar. Bei
diesen betrug derselbe sogar 400 bis 600 Cc. Panum beobachtete Aehnliches, als er seine Unter
suchungen über die physiologischen Wirkungen der comprimirten Luft vorbereitete und den
Einfluss der verschiedenen Körperstellungen auf die mittlere vitale Athemlage der Lungen er
forschte, d. h. auf denjenigen Theil der disponiblen Lungencapacität, mit dem das Athmungs-
geschäft bei ruhigem Athmen besorgt wird. Er fand hierbei, dass alle von ihm untersuchten
Personen im Stehen mit stärker gefüllten Lungen athmeten, als im Liegen oder Sitzen; und in
der Regel wurde im Liegen mit noch weniger gefüllten Lungen geathmet als im Sitzen. Es
wurde also durch das Niederlegen die mittlere vitale Athemlage der Lungen der Exspirations
stellung zu verändert. Panum selbst erkannte die Bedeutung dieser Thatsache für die Pathologie
und machte auf dieselbe aufmerksam. Diese Untersuchungen Panum’s hat unter Quincke’s Leitung
.später J. Pfahl (Inaugural-Dissertation, Bonn 1870) bei gesunden Personen wiederholt und auch
auf Kranke ausgedehnt. Er fand, dass bei Beiden im Liegen die mittlere vitale Athemlage der
tiefsten Exspirationsstellung mehr genähert wird als der tiefsten Inspirationsstellung. Seine Kranken
exspirirten nach tiefster Inspiration im Liegen um 100 bis 300 Cc. weniger als im Sitzen.
Alle diese Beobachter erwähnen, nur die einfache Thatsache, dass im Liegen weniger
exspirirt würde, als im Stehen und Sitzen. Worin sie die Ursache dieser eigenthümlichen Er
scheinung suchten, welche jedenfalls ihre Aufmerksamkeit erregte, das melden sie nicht'.