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die Sichtung, ja auch die Berichtigung und Vervollständigung des vorhandenen Manu
scripts verlangte eine kundige Hand und hingebenden Fleiss. Es zeugte für das Ver
trauen, welches Waitz auf Usinger setzte, dass er diesen für die Arbeit zu gewinnen
bemüht gewesen war* Mit dieser gieng derselbe, nachdem er den 21. September 1861 in
Göttingen exmatriculirt war, nach Berlin.
Hier fand er seinen lieben Freund v, Druffel, so wie Arndt, Mit Th, Toeche,
Rosenstein, Hassel, Erdmannsdörffer trat er in lebhaften. Verkehr. Auch hier zog und
regte er die Freunde an. Besonders die paleographischen Vorträge und Uebungen,
welche Ph. Jaffe mit zwölf jungen Männern veranstaltete, wurden ihm theils durch
den ausgezeichneten Lehrer, zu dem er seitdem in freundschaftliche Verbindung trat,
theils durch die mitlernenden sehr angenehm. Er nahm im Winter 18 61 /62 auch an
Rankes und Droysens Uebungen theil, hörte noch bei ihnen und kam auch zu R. Köpke.
Die neue Geschichte zog ihn 'mehr als früher an, und der Verkehr mit Droysen
lenkte seine Aufmerksamkeit auf vieles, das ihm bisher seitab gelegen. Das Gefühl,
im Mittelpunkt eines grossen States zu leben, wo täglich wichtiges vorgieng oder sich
vorbereitete, regte ihn ungemein an, Mit grosser Lebhaftigkeit folgte er den Kammer
verhandlungen im Frühjahr 1862,
Den Haupttheil seinerZeit verschlang freilich die Bearbeitung des Kaiser
Heinrichs II., von Hirsch, Bald war ihm die Arbeit eine drückende Last; der
ganz verschiedene politisch-kirchliche Standpunkt des Verfassers, der ein eifriger An
hänger Stahls gewesen, wirkte unwillkürlich abstossend auf ihn; er hatte überwiegend
mechanische Dinge zu besorgen und hegte in den meisten Punkten abweichende An
sichten, Er sah nicht entfernt ein Verhältniss zwischen dem wissenschaftlichen Nutzen,
den er aus der Arbeit gewann, zu dem Zeitaufwande und fühlte sich bei dem selb
ständigen Gange seiner ganzen Entwickelung durch diese Gebundenheit an ein fremdes
Werk geradezu gefangen. Deshalb bat er um Enthebung von der übernommenen
Pflicht, die ihm Waitz auch obschon ungern gewährte. In der Vorrede, welche derselbe
dem ersten Bande des Werkes vorausschickte, erkannte er den grossen Fleiss und
die Aufopferung Usingers warm an. Abgesehen von der ganzen Fertigstellung des
Manuscripts rühren zahlreiche kleinere Noten, sowie drei grössere Excurse (III. IV. VIA)
von diesem allein her. Um seine eigene Auffassung Kaiser Heinrichs II. in voller
Selbständigkeit darzulegen, schrieb Usinger für die Sybelsche historische Zeitschrift
einen Aufsatz über die Bedeutung jenes deutschen Herrschers, die im VIII, Bande
(S, 372—429) erschien.
Noch eine andere Sache regte Usinger in dem Berliner Winter längere Zeit
auf, Waitz hatte ihn auf eine freiwerdende Stelle an der Göttinger Bibliothek auf
merksam gemacht und ihn aufgefordert sich darum zu bewerben. Es geschah. Aber
theils der Wunsch, dass der neue Beamte nicht zugleich docire, während Usingers
Ziel darauf hinausgieng, theils die Bedenken wegen der Gesundheit und der grosse