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Ein Ausweg scheint nun freilich schwer zu finden, wenn einerseits neue, irn-
ponirende Systeme nicht nur so beliebig machbar sind, eine blos geschichtlich kon-
servirende Behandlung andererseits gar leicht misslich wird, ein principloser Eklekti-
cismus aber, der Einen Satz da, einen anderen dort aufgreift, doch auch wahrhaftig
nicht als befriedigende, in sich geschlossene Weltanschauung betrachtet werden kann.
Und doch, genauer zugesehen ergiebt sich aus dem wahren Begriff der Philosophie
über den in Fachkreisen mehr und mehr Uebereinstimmung herrscht, soviel Schiefes
und Halbwahres sonst darüber behauptet und angenommen wird, es ergiebt sich auch
für Uebergangszeiten wie die unsrige eine Möglichkeit, in einer wenigstens relativ
neuen, jedenfalls erspriesslichen Weise philosophisch fortzuarbeiten und wirksam zu sein-
Die Philosophie ist nicht etwa, wie man zuweilen definiren wollte, Geistes
wissenschaft gegenüber der Naturwissenschaft (im weitesten Sinn des Worts). Denn
auch das Gebiet der letzteren lässt sie sich keineswegs nehmen, wie die grosse Zahl
der naturphilosophischen Systeme von alten Zeiten an lehrt. Umgekehrt findet sie
auf dem Boden des Geistes und seines Lebens bereits eine ganze Reihe festgewurzel
ter, keineswegs verdrängbarer Fachdisciplinen vor. Wollte sie nur neben diesen Platz
nehmen, so bliebe ihr am Ende, von allen Einsprachen und Kompetenzkonflikten frei,
nur das dürftige Gebiet formaler Logik übrig. Indess, sie ist materiell oder dem
Gegenstand nach betrachtet überhaupt gar nicht Fachwissenschaft, den anderen ko-
ordinirt, sondern vielmehr, natürlich nur in diesem logisch begrifflichen noch keines
wegs taxatorischen Sinn, allen superordinirt und steht in wesentlich gleicher Beziehung
zu sämmtlichen Einzeldisciphnen als umfassende PrincipienWissenschaft.
„Princip“ bedeutet nun fürs Erste den Anfang und bedingenden Ausgangs
punkt. Und so ist es Eine der Hauptaufgaben für die Philosophie, die Grundbeding
ungen, Voraussetzungen und Normen der Erkenntniss überhaupt, der wissenschaftlichen
Ihätigkeit und Forschungsarbeit im Allgemeinen zu untersuchen und nach Kräften
festzustellen. In dieser Richtung hat sich unter den Neueren besonders Kant und seine
Schule unverlierbare Verdienste erworben. — „Princip“ ist aber fürs Andere auch
wieder das Letzte, der Schluss oder Einer der verschiedenen Schlüsse. Jede Fach-
disciplin kommt im Verlauf ihrer Forschung unvermeidlich an gewisse äusserste Punkte
oder Voraussetzungen als an die Grenze der Detailuntersuchung. Diese Marken
wenigstens einmal zu sammeln, zu ordnen und zu harmonisiren, d. h. zu sehen und
zu suchen, ob und wie von ihnen aus Hindeutung zur vollen Einheit gewonnen werden
möge — auch diess ist wieder eine Aufgabe der Philosophie und nicht mehr der
Fachwissenschaften; es ist der metaphysische Abschluss, wie ihn namentlich das Schelling-
Hegel’sche Denken in gewaltiger Energie ob auch grosser Kühnheit versucht hat.
Nun bleibt aber noch ein mittleres Arbeitsgebiet von wichtiger und bedeut
samer Art, nemlich das principielle Verhalten der Philosophie zu den
einzelnen h achdisciplinen selbst. Nicht nur liegt ihr hier ob, mit weiterem