Ein anderer Fall verdient aus dem Grunde besondere Beachtung, weil er zeigt, mit welcher
Vorsicht bei der Diagnose massiger perikarditischer Exsudate zu verfahren ist, und wie es unter
Umständen schwierig, ja unmöglich sein kann, selbst grössere Ergüsse in den Herzbeutel bei Leb
zeiten zu erkennen. Dieser Fall betraf einen grossen, sehr robusten, 36jährigen Arbeiter, welcher
am 18. Mai wegen Lungenentzündung in’s Spital gebracht war. Bei der Aufnahme des Kranken
wurde constatirt, dass der Unterlappen der linken Lunge der Sitz einer Entzündung war; am
Herzen sowie an den Bauchorganen wurde nichts Abnormes entdeckt. Der Verlauf der Krankheit
wich nur darin vom gewöhnlichen Verlauf der Penumonieen ab, dass am 5. Tage nach der Auf
nahme diarrhoische mit Blut gemischte Stühle sich eingestellt hatten, welche erst am 31. Mai
beseitigt werden konnten. Auch zeigte die Temperaturcurve keinen kritischen Abfall, sondern es
nahm die Höhe des Fiebers vom 7. Tage an allmählig ab und erreichte erst am 30. Mai annähernd
die Norm. Am folgenden Tage trat eine neue Steigerung bis 39,0 0 C. auf, und schwankte die
Temperatur zum bis u.Juni zwischen 38,6 und 40,4 0 C. Da die physikalische Untersuchung über
dem linken Unterlappen der Lunge immer noch deutliche Infiltration erkennen liess und noch
reichliche, feinblasige, klingende Rasselgeräusche in diesem Theile vorhanden waren, so wurde das
Fieber auf den noch bestehenden entzündlichen Process in der linken Lunge bezogen. Dieselbe
gab hinten bis zur spina scapulae hinauf einen gedämpften, wenig tympanitischen Schall, welcher
auch in der Axelgegend, sowie vorne bis zur 3. Rippe hinauf nachgewiesen werden konnte. Ueber
jenen Parthieen war das Athmungsgeräusch von trachealem Character mit reichlichen feinblasigen
Rasselgeräuschen. Die Herzbewegungen waren im 4. und 5- linken Intercostalraum nach innen
von der Mammillarlinie sicht — und fühlbar; die Herztöne etwas leise, aber rein. Während der
Zeit vom 12. bis 14. Juni überstieg die Temperatur die normalen Grenzen nicht, erhob sich
dann aber vom 15. ab allmählig und erreichte am 19. 40,0 0 C. , worauf sie bis zum Tode sank,
welcher am 20. Juni Abends unter den Erscheinungen des Collapses erfolgte. Bis zum lode hin
ergab die physikalische Untersuchung der Brustorgane annähernd den nämlichen Befund, wie
14 Tage früher, die entzündlichen Erscheinungen in der linken Lunge bestanden fort, die Herztöne
waren rein, und die Bewegungen des Herzens im 3. bis 5., der Spitzcnstoss im 5- Intercostalraum
In der Mammillarlinie sichtbar. Der Puls sehr frequent, ln den letzten Tagen des Lebens sah
man mit den Herzbewegungen synchron ein deutliches Unduliren in der Herzgrube. Da aber
gleichzeitig mit dieser Erscheinung ein mässiger Grad von hydrops ascites und Oedem der Unter
extremitäten sich eingestellt hatte, so wurde vermuthet, dass die in der Herzgrube undulirende
Flüssigkeit mit dem freien Fluidum im Bauchfellraum communicire, und die Bewegungen des Herzens
dieser Flüssigkeitsmenge mitgetheilt würden.
Die am Tage nach dem Tode angestellte Leichenschau ergab, dass der Herzbeutel von
einem colossalen eitrigen Exsudate angefüllt, und die Spitze des Herzens in grösserer Ausdehnung
mit dem gegenüberliegenden Theile des Herzbeutels und mit der Brustwand fest verwachsen war.
Dies war der Grund, wesshalb zu Lebzeiten die Herzbewegungen zu jeder Zeit sicht- und fühlbar
blieben und über sämmtlichen Ostien reine Töne gehört werden konnten. Auf die Dämpfungs
figur, welche die enorme perikarditische Flüssigkeitsmenge bedingt haben musste, konnte in diesem
Falle kein Gewicht gelegt werden, weil der gedämpfte Periussionsschall, welcher vorne links bis
zur 3. Rippe, hinten bis zur spina scapulae hinaufreichte und fast die ganze Axillargegend einnahm,
auf den durch die Section bestätigten Entzündungsvorgang in der linken Lunge bezogen werden
konnte. Es muss eingeräumt werden, dass, wenn eine Vermuthung auf einen entzündlichen Vor-