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blume der deutschen Musik. Während alle Welt französisch sprach, französisch schrieb
— musicirte alle Welt deutsch; Engländer und Franzosen Hessen, um gute Musik zu
haben, unsern Haendel und Haydn, unsern Gluck und Mozart nach London und
Paris kommen, ja, das God save the king und die Marseillaise sind deutschen Ur
sprungs. Deutscher Geist war es, wie es deutsche Leiber waren, wodurch der Sieg
an Frankreichs Fahnen gefesselt wurde; und als noch deutsche Sprache von einem
Friedrich gründlich missachtet ward, beugte derselbe Friedrich in seiner Garnisonkirche
nach dem Hubertusburger Frieden bei dein salvum fac populum in Grauns te Deum
tief erschüttert das Haupt und faltete die Hände — er, den Keiner je beten sah.
Lange bevor der Deutsche dem Ausländer politisch mündig erschien, musste dieser
die Ueberlegenheit deutschen Geistes wie auf wissenschaftlichem, so auch auf musika
lischem Gebiete zugeben. Ein halbes Jahrhundert ehe unsere Krieger bei Sedan
wälsche Art in den Staub traten, lieferte Webers deutscher Freischütz dem wälschen
Spontini ein Geister-Sedan von den wichtigsten Folgen — ohne Frage Avar, was den
auf unsere Universitäten Avehenden Geist einem Napoleon furchtbar machte, der
Reactionsperiode furchtbar im Deutschen Liede. Die Dichter fremder Nationen lassen
sich den unsrigen an die Seite stellen: ein Beethoven hat nur einmal gelebt;
Mozarts universalen Genius konnte nur das kosmopolitische Deutschland zeugen;
Haydns liebliche Keuschheit bedurfte des reichen Gemüthslebens unseres* Volkes zu
ihrer Entfaltung; im Sumpfboden der Pariser Frivolität wäre seine naive Reinheit
entAveiht, verdorben. Und Avenn der Character des ganzen StaatsAvesens, ob er fest
und gesund und wohlgeordnet, oder schlaff, überreizt, krank und in der Auflösung
begriffen sei, sich erkennen lässt aus der herrschenden Richtung in der Musik:
dann darf wohl auf den frivolen Offenbach hingewiesen Averden, um auch von
dieser Seite her den tiefen Verfall unseres Nachbarvolkes mit einem Schlaglichte zu
illustriren.
Wenn wir also der Musik eine besonders hohe Stellung unter den Künsten
anweisen, so glauben wir dafür geAvichtige Gründe geltend gemacht zu haben. Aber
doch sei zum Schlüsse noch eine Stimme angeführt, die — Avenn ihr auch sonst nicht
widerspruchslos beigepflichtet werden dürfte — über unser Thema geAviss Beachtens-
werthes sagt. Es ist diejenige Schopenhauers, welcher Philosoph der Musik eine von
derjenigen der bildenden und dichtenden Kunst gänzlich verschiedene Natur zuge
sprochen hat. Er geht hierbei von der Verwunderung darüber aus, dass von der
Musik eine Sprache geredet Averde, Avelche ganz unmittelbar von Jedem zu verstehen
sei da es hierzu gar keiner Vermittelung durch Begriffe bedürfe, —wodurch sie sich
zunächst eben vollständig von der Poesie unterscheide, deren einziges Merkmal die
Begriffe vermöge ihrer Venvendung zur Veranschaulichung der Ideen seien. Nach
des Philosophen Definition sind die Ideen der Welt und ihrer vresentlichen Erschei
nungen, im Sinne des Plato, das Object der schönen Künste; Avährend nun der Dichter