teristik der Töne“ nachgewiesen hat. Endlich ist zwischen den Stimmen der Instrumente
im Orchester und den Stimmen der Menschen eine sehr deutliche Axiologie: in den
Klängen mancher Instrumente, für sich betrachtet, liegen unzweideutige Symbolisi-
run^smittel der Gefühle nach Geschlechts- und selbst nach Altersunterschieden. So
bietet die tiefe Region der Clarinette z. B. eine treffendere Klanganalogie für den
Ausdruck schwermüthiger Klage, als die tiefe Region der Oboe und Flöte; diese bietet
zum Ausdruck der Zärtlichkeit in ihrer Grunderscheinung die entsprechenden Klänge,
während Niemand eine Liebesklage auf dem Contrafagott oder der Trompete vor
tragen würde, welch’ letztere hingegen wiederum geschickt ist zum Ausdruck kriegeri
schen Muthes. Ebenso denken wir beim Hörnerschall an Jagd und Wald, bei dem
Klange der Clarinette an die Schalmei,- Hirten und Heerde, beim Spiel der Harfe an
biblisch-religiöse Zeiten u. s. f. —■ Analogieen, xvelche ihren Grund haben in Ideeen-
associationen.
Hieraus erhellt, dass musikalische Klänge selbst ein analogisches Element für
gegenständliche Vorstellungen enthalten und diese in der Einbildungskraft hervorrufen
können nur darf sich die Kunst, wenn sie nicht in Künstelei verfallen und lediglich
technisch spielen will, nicht in das unmögliche Malen bestimmter Situationen ver
lieren wie namentlich im vorigen Jahrhundert geschah. Mattheson berichtet, die
Compositionen des Organisten Froberger „wissen ganze Geschichten mit Abmalung
der dabei gegenwärtig gewesenen und Theil daran nehmenden Personen sarnmt ihren
Gemüthseigenschaften gar wohl vorzustellen; u. A. sei bei ihm eine Allemande mit
Zubehör vorhanden, worin die Ueberfahrt des Grafen Thurn und die Gefahr so sie
auf dem Rheine bestanden, in 26 Noten-Fällen ziemlich deutlich vor Augen und Ohren
gelagert werde.“ Aber dergleichen Extravaganzen erscheinen abgeschmackt und über
schreiten die Grenzen der Musik, innerhalb deren lediglich eine rhythmische Malerei
und Nachahmung von Naturstimmen und Naturereignissen liegt, nicht aber eine bis
zur Täuschung getriebene Copie des sogenannt Wirklichen, welche in der Musik nicht
minder wie in anderen Künsten nach Schellings starkem Ausdruck die Wirkung „von
Gespenstern“ machen würde. Darstellbar durch die Musik ist das bewegte Meer, das
Rollen des Donners, das Rieseln des Bachs und Aehnliches, weil der formlose Schall
der Natur und der bestimmte Ton der Musik im Grunde Eines Ursprungs sind. Was
wir in der Natur als Schall und Klang hören ist zwar keine Musik im Sinne der
Kunst, aber der künstlerische Ton wird uns leicht an den unkünstlerischen Schall
dem er ja selbst entsprossen ist — erinnern.
So beschränkt nun aber die Tonkunst nach dieser Seite hin ist, so grenzenlos
ist ihre lyrische Macht, und somit auch die Macht, mit welcher sie das ganze Sinnen
leben ergreift. Sie stellt das Reich des Erhabenen vom Feierlichen bis zu der reinsten
Vernunft-Erhabenheit in jeder Beziehung und Richtung dar mit all den einzelnen
Modificationen und psychologischen Gefühlsbestimmungen desselben; das Starke, Feste,
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