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gesund organisirte Natur erfahrungsmässig apriorisch wirkt, so beziehen wir von Hause
aus Alles lieber auf das Schöne. Die Fähigkeit der Empfindung dafür ist dem Menschen
angeboren, ist instinctiv wie Hunger oder Durst. Sie liegt vor der Erfahrung, vor dem
Denken; sie ist nicht erst abstrahirt, sie ist ursprünglich. Eine gütige Natur legte
diese wundervolle Empfindung tief in jedes Kindes Brust: gleichviel welcher Race
dieses angehört, immer wird es jauchzen bei hellem Sonnenschein, wird mit Lust
nach dem funkelnden Geschmeide, der bunten Blume greifen, wird dem Wiegenliede
der Mutter lauschen und sich erfreuen an der lebhaften Bewegung des glitzernden
Wassers, des schwirrenden Vogels. Licht, Klang, Farbe erfüllen die noch schlummernde
Seele mit Frohsinn, — Beweis genug, dass diese ursprünglich empfänglich ist für die
Eindrücke des Schönen.
Aber was ist es denn, was die reifere Erkenntniss „das Schöne“ nennt — und
wie tritt es in die Erscheinung?
So einfach die Frage scheint, so schwierig ist ihre Beantwortung. Die erleuchtet
sten Köpfe aller Zeiten haben scharfsinnige Definitionen über das Wesen und den
Grund der Schönheit gegeben, aber unser grosser Lehrer über das Schöne, Winkel
mann, musste doch eingestehen, dass die Schönheit eines von den grossen Geheimnissen
der Natur sei, deren Wirkung wir Alle sehen und empfinden, von deren Wesen aber
ein allgemeiner deutlicher Begriff unter die unerfundenen Wahrheiten gehöre. Jahr
tausende waren vergangen, und Winkelmann bekannte, dass er nicht weiter gekommen
sei als jener Hippias, welcher nach Platons Berichte dem Sokrates auf dessen Frage
nach dem Begriffe des Schönen keine genügende Antwort zu geben wusste — der
Grieche dem Landsmann und Genossen eines Volkes, welches wie kein anderes die
ewig unvergänglichen Muster des Schönen aufgestellt hat! — Ja, so schwer ist es,
den Begriff des Schönen in eine allgemein gütige kurze Formel zu fassen, dass ein
so feinsinniger Aesthetiker wie Schiller verzweifelnd danach verlangen konnte, es
möge doch einmal Jemand wagen, den Begriff und das Wort „Schönheit“ ganz aus
dem Umlaufe zu bringen !
Indessen ist dieser Begriff so wichtig für die theoretische Kunstbetrachtung,
dass wir bei ihm verweilen müssen.
„Schön“ nennt der Sprachgebrauch in Natur und Kunst bereits jede Linien
schwingung, die das Auge reizt (wie denn das Wort von „Schauen“ abgeleitet wird)
und die Seele wohlgefällig anspricht. Strenger aber ist die Aesthetik, welche dieses
sinnlich Ansprechende, dieses fWuvotttcv nur mit dem Ausdrucke des Reizenden und
Angenehmen bezeichnet, dagegen den Begriff des „Schönen“ auf Gegenstände be
schränkt, in denen die sinnliche Erscheinungsweise völlig bedingt und bestimmt ist
durch die Idee, welche der Form zu Grunde liegt — mit anderen Worten: auf Gegen
stände, in denen Form und Inhalt im innigsten Gleichgewichte stehen und ganz
ineinander aufgehen — eine Difinition, welche besonders von Schelling und Hegel